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"West Side Gallery": Streit um Rückseite der East Side Gallery

Der Fotograf Kai Wiedenhöfer will auf der Rückseite der East Side Gallery ausstellen. Doch es gibt Streit um die neue "West Side Gallery".

Jetzt auch noch die Rückseite. Um die East Side Gallery am Spreeufer in Friedrichshain gibt es schon genug Ärger, wegen Schmierereien, Graffiti und anderer Beschädigungen. Und nun wollen die Grünen im Bezirk auch noch die Rückseite künstlerisch bespielen. Mit dem Vorstoß, dort noch im Sommer die „West Side Gallery“ zu eröffnen, haben sie einen erneuten Streit um den 1300 Meter langen Mauerstreifen an der Mühlenstraße entfacht.

„Die Spree-zugewandte Seite der East Side Gallery lässt sich schön für Ausstellungen nutzen“, sagt die Grünen-Verordnete Kristine Jaath. Die Umsetzung der West Side Gallery mit wechselnden Ausstellungen hat die Bezirksverordnetenversammlung im Dezember 2009 beschlossen. Nun fordert sie das bisher untätige Bezirksamt in einem Antrag auf, die Idee noch in diesem Jahr in die Tat umzusetzen. Den Anfang sollen Bilder des Fotografen Kai Wiedenhöfer machen. Danach soll eine Jury künftige Inhalte auswählen.

Auf einer Länge von 350 Metern will Wiedenhöfer 35 Panoramen auf die Mauer kleben, beidseits des Aufgangs gegenüber der O2-Arena. Die jeweils neun Meter breiten und drei Meter hohen Fotos zeigen acht Grenz- und Separationswälle aus aller Welt, Orte, an denen die Mauer nicht mehr nur Fotomotiv ist wie in Berlin. Darunter sind das Bollwerk, das Nord- und Südkorea trennt, die Greenline auf Zypern und die Grenze zwischen den USA und Mexiko. Seit 2006 ist Wiedenhöfer für die Fotos um die Welt gereist. Für seine Bilder wurde der studierte Fotojournalist, der in Berlin lebt, mehrfach ausgezeichnet. „Die Bilder werden mit einem Tintenstrahldrucker auf normales Plakatpapier gedruckt und mit Tapetenleim aufgebracht“, schreibt Wiedenhöfer in seinem „Wall on Wall“-Konzept. Zwischen den Fotos gebe es Erklärungen für die Besucher. „Die ganzflächige Bedeckung schützt die Mauer vor immer neuen Schichten von Graffiti.“ Damit wären, glauben Wiedenhöfer und Jaath, die Forderungen von Bezirksamt, Denkmalschützern und Senatsvertretern erfüllt, die 20011 zur Auflage gemacht haben, die Mauersubstanz dürfe nicht beschädigt werden und die Ausstellungen müsse dem besonderen Ort gerecht werden.

Unterstützung bekommt Wiedenhöfer von der ehemaligen Kultursenatorin Adrienne Goehler (Grüne). Gemeinsam hatten sie das Konzept bereits Ende 2012 im Kulturausschuss der BVV vorgestellt. „Das wäre eine lebendige, künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema und dem Ort“, sagt Goehler. Zur Probe hatten beide im vergangenen Jahr ein Foto für zwei Wochen an die Mauer geklebt. „Danach konnte es rückstandslos entfernt werden“, sagt Goehler. Das Vorhaben ist eine abgeänderte Idee aus dem Jahr 2008. Damals wollte Wiedenhöfer nur Fotos von der israelisch-palästinensichen Grenze auf das Mauerstück tapezieren. Die Idee spaltete den Bezirk und wurde verworfen. Mauer auf Mauer, das schien vielen problematisch.

Vier Jahre später stößt Wiedenhöfer noch immer auf Gegenwind. „Das wäre eine Verfälschung“, sagt Kani Alavi von der Künstlerinitiative East Side Gallery. Der Ort müsse authentisch bleiben. Den Grünen wirft er vor, das Mauerstück für ihre Partei zum Prestigeobjekt machen zu wollen. Gegen Wiedenhöfer und Goehler will er wegen der Probleklebung sogar Anzeige erstatten. Auch die SPD lehnt die Pläne ab. „Wir wollen den Zustand der Mauer als Teil des Berliner Gedenkstättenkonzepts unverändert erhalten“, sagt die Verordnete Miriam Noa. Die einstige Kultursenatorin Goehler wirft den Kritikern Geschichtsklitterung vor: „Authentisch ist auf der Seite, die Alavi betreut, gar nichts mehr.“

Doch auch die Senatskanzlei für kulturelle Angelegenheiten lehnt das Vorhaben ab. Die für die erfolgte Sanierung geflossenen Gelder seien mit der Auflage verbunden gewesen, dass die East Side Gallery als Denkmal erhalten bleibe, teilte die Verwaltung mit. Dass es sich um die Grenzmauer handele, werde deutlicher, wenn der jetzige Zustand erhalten bleibe.

Schon am Dienstag könnte der Kulturausschuss darüber beraten, ob Wiedenhöfers Bilder eine West Side Gallery eröffnen. Stimmt der zu, wird dies erfahrungsgemäß auch die Bezirksverordnetenversammlung tun.

Damit wäre der Wunsch von Kulturstadträtin Monika Herrmann (Grüne) vom Tisch. Die würde lieber erst einmal eine erneute Grundsatzentscheidung über den Umgang mit dem Mauerstück herbeiführen, um dann in einer Ausschreibung Künstler auszuwählen. Das Denkmal aber dürfe man nicht derart verkommen lassen, es sehe grauenhaft aus. Eine West Side Gallery noch in diesem Jahr aber, das fände auch sie schön.

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