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Stadtleben: Wie Winnetous Erben fliegen lernten

Kartengrüße vom Gendarmenmarkt: Zwei Bücher zeichnen Karl Mays Weg durch Berlin nach

Das Wetter ist eines der beliebtesten Themen auf Urlaubspostkarten, gereimt wird dabei selten, doch gibt es Ausnahmen: „Es ist bald nicht mehr zu begreifen, / wie dick’s hier schneit, nur Schnee, nur Schnee! /Drum thun uns nach den Orgelpfeifen / die Herzen ganz gewaltig weh.“ Als Old Shatterhand und Kara ben Nemsi war der Dichter durch unterschiedlichste Klimazonen gestreift, behauptete es jedenfalls. Der Berliner Winter hat ihn dennoch überrascht. Sein Name: Karl May.

Im Februar 1897 müssen hier besonders viele weiße Flocken vom Himmel gefallen sein. Die Karte allerdings, die „Tante Emma und Onkel Karl“, das Ehepaar May also, an die Familie des Deidesheimer Weingutsbesitzers Emil Seyler schickte, zeigte einen sonnigen Gendarmenmarkt, eine Szene mit Flaneuren und offenen Zweispännern, daneben vergrößert das lorbeerumkränzte Schillerdenkmal. Der Gruß aus Berlin ist die einzige direkte Spur, die in dem Buch „Auf Karl Mays Fährte“ verfolgt wurde. Der Dichter war begeisterter Postkartenschreiber, wollte offenbar auch, als er 1899 erstmals in den Orient und 1908 endlich auch in die USA reiste, dies mit unanfechtbaren Beweisen belegen. Das in dem nach ihm benannten Verlag erschienene Buch versucht nun seinen Lebensweg anhand von rund 350 Ansichtskarten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu rekonstruieren. Allerdings entstammt nur eines der acht Berliner Motive einer von May geschriebenen Karte.

Das überrascht, war doch Mays Leben und Werk mit der alten Reichshauptstadt eng verbunden, im Guten wie im Bösen. Die wechselhafte Geschichte gab sogar Stoff für ein ganzes Buch ab: „Karl May in Berlin“, herausgegeben von Johannes Zeilinger, dem Kurator der May gewidmeten Ausstellung, die noch bis 27. Januar im Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums zu sehen ist. In Sach- wie belletristischen Texten, nicht immer taufrisch, leuchten die Autoren des Sammelbandes die Facetten der Beziehungen zwischen May und Metropole aus, auch er selbst und seine zweite Frau Klara sind als Autoren vertreten. Bekannte Episoden aus dem Leben des Dichters sind aufgeführt, so der in Berlin geführte Verleumdungsprozess gegen den Journalisten Rudolf Lebius, der Karl May „einen geborenen Verbrecher“ genannt hatte. Nur wenige wissen dagegen wohl von Mays Besuch auf der Internationalen Flugwoche in Johannisthal 1909 und seiner Begegnung mit dem Flugpionier Hubert Latham. Offenbar hatte dies Einfluss auf den vierten Teil seiner Winnetou-Romane („Winnetous Erben“): Darin steigt ein junger Indianer mit einem selbst gebauten Fluggerät auf und erfüllt so eine alte Prophezeiung.

Kaum noch präsent sind auch die vielen Berliner May-Dramatisierungen, die hier noch einmal gewürdigt werden. Selbst Will Quadflieg war Winnetou, 1938 in der Volksbühne. Schließlich wird der ersten May-Verfilmungen 1920 gedacht, leider nicht der Kinoerfolge in den Sechzigerjahren. Dabei war es doch in erheblichem Maß die produktive Konkurrenz der Berliner Produzenten Horst Wendlandt und Artur Brauner, der Winnetou & Co. den nachhaltigen Ruhm verdankten.

— Johannes Zeilinger (Hg.): Karl May in Berlin. Eine Spurensuche. Verlag der Nation, Husum. 364 S., 19,95 €.

— Reinhard F. Gusky/Willi Olbrich: Auf Karl Mays Fährte. KarlMay-Verlag, Bamberg. 320 S., 39,90 €.

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