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Zeitumstellung heute Nacht: Die geschenkte Stunde

Die Winterzeit begann vergangene Nacht – und durch die Umstellung um drei Uhr früh hat dieser Sonntag 60 Minuten mehr. Solch ein Geschenk sollte man nicht einfach verschlafen. Hier sind fünfzehn lohnende Vorschläge.

Kaffee trinken.

In 60 Minuten dreht sich das Restaurant des Fernsehturms zweimal um die eigene Achse. Manchmal, je nach Wetterlage, auch nur einmal. Bei klarem Himmel kann man bis zu 80 Kilometer weit gucken. Ein 360-Grad-Panorama, ohne sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Und dazu bitte „Schaschlik vom Broiler“ bestellen oder „Toast Hawaii“, das hier als typische Berliner Spezialität angepriesen wird.

Pilze sammeln.
Das machen nur Freaks oder Märchenfiguren? Stimmt nicht. In Berlin und Umgebung gibt es mehr als 1500 Großpilzarten, Maronen und Steinpilze sind die beliebtesten Essbaren. Eine Stunde Fahrzeit in die Märkische Schweiz oder in den Fläming ist gut investierte Zeit. Falls was schief geht: Landesberatungsstelle für Vergiftungserscheinungen in Berlin, Tel. 192 40.

Sich verkleiden.
Wenn eh schon alle die Neuköllner Weserstraße zur neuen Simon-Dach-Straße stilisieren und das „Ä“ am Wochenende immer voll ist, kann man auch etwas früher hin, um ein Stündchen im „Silver Future“ mit der Hausnummer 206 zu sitzen. Schon von der Webseite der Bar winken zwei Kellner in Stewardessen-Outfit, in der Bar selber schließlich tragen plötzlich alle Frauen Bärte, und wer zu normal gekleidet aufschlägt, kann sich im hinteren Teil verkleiden gehen.

Schwitzen. Wenn es draußen kälter wird, werden am Mehringdamm die Heizungen hochgestellt. „Heat Hatha“ heißt der Yogakurs, bei dem man sich nicht nur verrenken muss, sondern das auch noch bei 40 Grad. Bei hohen Temperaturen sinkt die Verletzungsgefahr und steigt die Beweglichkeit, so das Konzept „Heat Hatha“. Diese Pluspunkte interessieren einen leider herzlich wenig, wenn man in der Stellung des „abwärts gerichteten Hundes“ schwitzend auf seiner Matte hängt. Einziger Trost: Wenn man das lange genug macht, sieht man vielleicht auch mal so gut aus wie der Yogalehrer. Am Mehringdamm 33, schnell einen Platz reservieren unter Tel. 695 655 22.

Unhöflich sein. Versetzen Sie eine unliebsame Verabredung. Wenn Sie um zwölf zum Kaffeetrinken verabredet sind, kommen Sie erst um eins, wenn niemand mehr da ist. Eine knappe SMS am Abend, man habe einfach die Zeitumstellung vergessen, ist als Entschuldigung völlig ausreichend. Mein Gott, kann ja wohl jedem mal passieren.

Am Herd stehen.
Kochen Sie das meistunterschätzte Gericht überhaupt: Spaghetti Bolognese. Mit Hack, Suppengemüse, Rosmarin und Rotwein. Und der Trick: Die Bolognese muss mindestens eine Stunde köcheln.

Trinken. Eine bekannte Fastfoodkette hat gerade 2000 Menschen zur „geschenkten“ Stunde befragt: 44 Prozent möchten die Stunde gerne verschlafen. Vielleicht sollten Sie aber heute nicht schlafen, sondern spät ins Bett gehen, denn an welchem Tag sonst kann man in einer vollen Kneipe besser sagen: „Na gut, ein Stündchen bleib ich noch…“?

Streicheln.
Eine geschenkte Stunde bietet Raum für die wirklich unnötigen Dinge des Lebens. Eine Veranstaltung, die kein Mensch braucht, findet am Sonntag im Palais am Funkturm statt: Die Ausstellung deutscher Edelkatzen. Geöffnet ist von 7 bis 19 Uhr, unumstrittener Höhepunkt bildet der Programmpunkt „Kind und Katze“. Im September wurden dem Verein Deutsche Edelkatze e. V. übrigens diverse Ausstellungskäfige gestohlen, dem Finder der Käfige winken bis zu 1000 Euro. Wer sich also nicht eine Stunde lang Perserkatzen ansehen möchte, könnte alternativ eine Stunde deren Käfige suchen.

Lesen. In „Geburtsort Berlin“ schreibt Monika Maron acht Texte über Berlin. Sie schreibt vom „schnellen Witz“ der Berliner, von „Kneipenanarchie und Pathosferne“. Dazu lässt sich das Büchlein in ungefähr einer Stunde komplett durchlesen.

Buch kaufen. Wer „Geburtsort Berlin“ nicht besitzt, kann die Stunde natürlich auch darauf verwenden, am Bahnhof danach zu suchen. Auch in unfreundlichen, vollen Bahnhofsbuchhandlungen lernt man ja einiges über Berlin.

Glotzen. Bleiben Sie im Bett und gucken Sie staffelweise Serien. Das dauert zwar lange, aber immerhin kann man heute eine Stunde wegmogeln: Statt bis „nachmittags um drei Uhr“ hat man dann eben nur bis „mittags um zwei“ DVD geguckt.

Essen. Probieren Sie einen Döner im Tadim am Kottbusser Tor. Sie können auch gern eine Stunde nach einem besseren suchen, werden ihn aber nicht finden. Tadim wartet direkt im Durchgang zur Dresdener Straße.

Schiff fahren.
Genau eine Stunde dauert die Stadtkernbootstour für Eilige. Für sieben Euro fährt man mehrmals täglich durch die City. Beginn ist am Bahnhof Friedrichstraße, Schiffbauerdamm. Wer den Eltern in der Provinz nichts von Berlin zu erzählen hat, weil er das ganze Wochenende nur in dunklen Clubs gehockt hat, sollte diese Option wählen.

Im Kreis fahren.
Seit die Strecke komplett modernisiert wurde, dauert eine Fahrt um den ganzen S-Bahnring nicht mehr 70 Minuten, sondern eine Stunde. Berlin zieht dabei an einem vorbei, und man selber ist mittendrin in der schönsten Milieustudie und kann mutmaßen, wer wohl am Heidelberger Platz und wer am Gesundbrunnen aussteigt.

Gruseln. Spazierengehen im Plänterwald lohnt sich immer. Zwar kann man das gruselig-geisterhafte Gelände des stillgelegten Vergnügungsparks „Spreepark“ nicht betreten, ohne eine Strafanzeige zu riskieren, aber allein das Dranvorbeigehen an dem alten, verwilderten Rummel mit Riesenrad beflügelt die Fantasie. Schließlich hat sich der Besitzer vor sieben Jahren mitsamt seinen Karussellattraktionen „Fliegender Teppich“ und „Wild River“ nach Peru abgesetzt. Wenn das keine Geschichte ist. Parken am besten in Alt-Treptow, Ecke Bulgarische Straße.

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