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Stadtleben: Zimmer frei

Helmut Baumann probt gerade „Das Apartment“ im Theater am Kurfürstendamm. Im März ist Premiere

„Ich ess jetzt das letzte Requisit“, ruft Nik Breidenbach und stopft sich grinsend eine Teigtasche in den Mund. Die zierte das Kaffeegedeck auf dem Couchtisch in der Probenkulisse. Gerade haben er und seine Schauspielerkollegin Eva- Maria Grein die Szene aus „Das Apartment“ gespielt, in der die beiden New Yorker Loser C.C. Baxter und Fran Kubelik sich ihre Liebesdesaster erzählen und das bittersüße Duett „I’ll never fall in love again“ singen. Regisseur Helmut Baumann ist zufrieden und schickt seine Stammschauspieler nach sechs Stunden strammer Probe nach Hause. Die zwei waren schon vor drei Jahren beim gefeierten Musical „Swinging Berlin“ dabei, das Baumann zuletzt in Berlin, ebenfalls im Theater am Ku’damm, inszenierte.

Am Bühnenbild wird drei Wochen vor der Premiere in der Probebühne noch gebastelt. Helmut Baumann trägt kleine Modellmöbel herum und bespricht sie mit der Bühnenbildnerin. „Ich bin Familienmensch“, kommentiert er, was offensichtlich ist. Und dass er gerade deswegen kleine, feine Produktionen schätzt. „Im Theater des Westens habe ich als Intendant 15 Jahre lang 14 Stunden täglich geschuftet. Jetzt bin ich 69 und inszeniere aus Vergnügen.“ So soll es sein, wenn man eine erstaunliche Karriere als Solotänzer, Schauspieler, Choreograf und Musiktheatermacher gestemmt hat.

Der Musicalklassiker „Das Apartment“ passt zu ihm: Plot, Dialoge, Musik – alles erste Sahne. Vorlage war Billy Wilders berühmte Filmkomödie mit Jack Lemmon und Shirley McLaine von 1960. Daraus machte der Gott des intelligenten Boulevards, Neil Simon, ein vor Wortwitz funkelndes Bühnenstück, und Erfolgskomponist Burt „Easy Listening“ Bacharach lieferte die Musik. 1968 feierte „Promises, Promises“, wie es im Original heißt, am Broadway Erfolge. In Berlin wird „Das Apartment“ jetzt seit der Erstaufführung 1970 im Theater des Westens erst zum zweiten Mal gezeigt. Ob so ein Stück über kleine Angestellte, die sich von Bossen herumschubsen lassen, dort heute noch denkbar wäre? Helmut Baumann zuckt die Schultern. Das Theater ist nicht mehr seine Baustelle. Aber zum Stil der „Firma“, wie er den Musicalriesen Stage Entertainment nennt, passe so ein kluges Boulevardstück eher nicht.

Eine Sixties-Retroshow wird sein „Apartment“ nicht. Die Geschichte spielt in der Gegenwart, und aus dem Liftgirl, das eine Affäre mit ihrem verheirateten Boss hat, ist eine Hostess in der Chefetage geworden. „Ich find’s nicht so appetitlich, wenn Männer über 50 jungen Mädchen hinterherlaufen“, sagt Helmut Baumann. Deshalb seien seine Abteilungsleiter, die in C.C. Baxters Apartment Schäferstündchen mit ihren Sekretärinnen verbringen, alle jünger. „Frisch und direkt“ will er das Stück haben und die von einem Quartett gespielte Musik „bouncig und jazzig“. Der Bacharach-Hit „Raindrops keep falling on my head“ ist übrigens auch dabei.

Hat ein Typ wie Baxter, der seine Wohnung verleiht, um die Karriere in Schwung zu bringen, etwas mit der realen Arbeitswelt zu tun? Absolut, meint Helmut Baumann. Aber in erster Linie ist „Das Apartment“ dann doch eine hübsche, zu Herzen gehende Geschichte. Wie immer ist der Regisseur selbst in einer Nebenrolle dabei. Als „oller Arzt von nebenan, der Baxter für einen Sexakrobaten“ hält. Das könne er neben der Regie gerade noch bewältigen, lächelt er fein.

Und dann erzählt Baumann, dass diese Produktion ein Paddelboot gegen das Schlachtschiff sei, dass er vor kurzem an der Wiener Volksoper gelenkt hat. „Orpheus in der Unterwelt“ mit 23 Solisten, einem 20-köpfigen Ballett und einem 45-köpfigen Chor. Die alle zu disziplinieren sei Schwerstarbeit gewesen, „wie Kohlen schleppen“. Gleich danach stand in München „La Cage aux Folles“ auf dem Programm, wo er Zaza, seine eigene langjährige Paraderolle, erstmals mit Ursli Pfister besetzt hat. „Spielt er toll“, amüsiert sich Baumann, „wie eine wild gewordene Soubrette“.

Dass Helmut Baumann wieder am Ku’dammtheater arbeitet, ist auch Unterstützung für die durch Neubaupläne gefährdeten Bühnen. Darüber kann der Charlottenburger sich genauso in Rage reden wie über die Schließung des Flughafens Tempelhof. Klingt, als sei er ein alter West-Berliner? „Unbedingt, sogar ein militanter, schreiben Sie das“, lacht er. Mitte besucht der Fan der Komischen Oper und des Deutschen Theaters trotzdem ganz gern. Aber nur um Stücke zu sehen, Partys sind nicht so Baumanns Ding. Da winkt er ab: „Ich bin kein Adabei.“

„Das Apartment“ hat am 16. März Premiere im Theater am Kurfürstendamm und läuft bis zum 25. Mai. Voraufführungen sind am 14. und 15. März. Kartentelefon 88 59 11 88.

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