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Stadtleben: Zwischen den Fronten

Wie friedliche Berliner in Rostock demonstrieren – und dabei Opfer der Gewalt wurden

Für Frank Lodwig war es das erste Mal. Ausschreitungen kannte der 29-jährige Berliner bisher nur aus dem Fernsehen. Am Wochenende demonstrierte er in Rostock gegen den G-8-Gipfel – und wurde von der heftigen Straßenschlacht überrascht. In einem Bus fuhr Lodwig, der sich bei Verdi engagiert, nach Rostock, wo er auf tausende andere Gewerkschafter traf. Gemeinsam marschierten sie friedlich durch die Innenstadt.

Erst als sich gegen Ende der Großdemonstration zehntausende Teilnehmer am Stadthafen versammelten, flogen plötzlich Steine. „Nach ein paar Sekunden prallten zwei Fronten aufeinander“, sagt er. Während Vermummte einen Steinhagel starteten, prügelten sich behelmte Polizisten den Weg mit Schlagstöcken frei. Wegrennen konnte Lodwig nicht mehr: „Überall standen Leute im Weg.“ Schließlich wurde er von einem Beamten umgerannt. „Zum Glück ist es nur eine Prellung geworden“, sagt Lodwig.

Andere Demonstranten hatten mehr Pech. Claudia Müller zum Beispiel. Die 28-jährige Verlagskauffrau aus Treptow war am Wochenende ebenfalls in Rostock unterwegs. Müller trägt Sandalen, lange Haare und eine gelbe Bluse – mit dem schwarzen Block hat sie nicht nur äußerlich wenig gemeinsam. Am Samstagabend wollte die junge Frau gerade das Konzert im Rostocker Stadthafen verlassen, als ein Wasserwerfer der Polizei sie mit einem Strahl umwarf. Mit einer Platzwunde am Kopf musste sie ins Krankenhaus. Dort sei sie dann als „Chaotin“ beschimpft worden.

Nun regt sich Müller auch über die Autonomen auf: „Wer Feuer legt, muss sich nicht wundern, wenn die Polizei anrückt.“ Gewalttätige Aktionen seien schon wegen der friedlichen Demonstranten rücksichtslos. Auf den Straßen von Rostock habe leider niemand verhindert, dass sich die falschen Leute austoben konnten.

Sie selber sei ganz klar links. „Ziemlich sogar“, sagt Müller. Doch eine andere Gesellschaft brauche vor allem eines: „Überzeugende Konzepte.“ Und genau daran mangele es den Autonomen. Müller orientiert sich eher am globalisierungskritischen Netzwerk Attac, obwohl ihr dessen Politik oft „nicht konsequent genug ist“. Den G-8-Gipfel findet sie „völlig überflüssig“ – Gewalt bei Demonstrationen auch. Am Mittwoch wollte Claudia Müller eigentlich noch einmal an die Ostsee fahren, um die Straßen zum Tagungsort der Staatschefs in Heiligendamm zu blockieren. Doch nach der Straßenschlacht vom Wochenende wird sie nun in Berlin bleiben. „Zu unberechenbar“ seien die Proteste, zu schnell könne die Stimmung umschlagen.

Ähnlich beurteilt Lara die Ereignisse in Rostock. Die 16-jährige Schülerin aus Charlottenburg ist mit den Grünen zu den Protesten gefahren. Unfreiwillig geriet sie am Ende der Demonstration zwischen die Fronten. Die Autonomen hätten bei ihren Aktionen keine Rücksicht auf friedliche Demonstranten genommen. Doch auch der Einsatz der Polizei habe nicht durchdacht gewirkt. Deeskalation sehe anders aus. „Ich habe zweimal Tränengas abbekommen“, sagt sie. Dennoch, Lara würde wieder gegen einen Gipfel demonstrieren.Hannes Heine

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