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STADTMENSCHEN: Alles rott: Birol Ünel stellt ein Hörbuch für Harte vor

Also eins sei er ganz gewiss nicht, sagt Birol Ünel, „ein Schauspieler, der spielt als ob“. Echt will er sein, um jeden Preis.

Also eins sei er ganz gewiss nicht, sagt Birol Ünel, „ein Schauspieler, der spielt als ob“. Echt will er sein, um jeden Preis. Dass er dabei weder sich noch andere schont, ist seit Fatih Akins grandiosem Liebesdrama „Gegen die Wand“ allseits bekannt, wo er für seine Darstellung des selbstzerstörerischen Säufers Cahit mit Preisen überhäuft wurde. Der Thrill des Unberechenbaren und Extremen haftet auch dem Fotografen, Regisseur und Autor Miron Zownir an, der seit den 80er Jahren für seine krassen Fotoreportagen unter Punks oder russischen Obdachlosen gerühmt wird und neben Fotobüchern und Dokumentarfilmen auch Erzählungen veröffentlicht.

13 Kurzgeschichten aus seinem Band „Parasiten der Ohnmacht“ hat er jetzt zusammen mit Birol Ünel und dem Musiker FM Einheit bei Deutsche Grammophon/Universal als Hörbuch herausgebracht. Am Sonntag stellen die drei die CD im Kino Babylon Mitte vor. Ünel spricht Zownirs Texte und Soundtüftler FM Einheit, der 15 Jahre bei den Einstürzenden Neubauten wirkte und heute aufregende Klangteppiche für Theater- und Hörspielproduktionen webt, spielt Elektrosounds und macht Geräusche.

Wie es aussieht, wird der Abend so richtig was für schwarz gekleidete Underground-Fans, die glauben, dass keine abgründige Literatur mehr existiert. Schon seit sich die Beatniks Kerouac, Burroughs und olle Charles Bukowski tot gekokst und gesoffen haben. Elend, Endzeit, Exzesse – von Birol Ünel inbrünstig vorgetragen und darunter ein mal wispernder, mal wummernder Maschinensound, sozusagen als Störgeräusch einer verrotteten Welt. Klar, dass das Ünel gefällt, der sowieso nur vorliest, was ihn interessiert. „Ich stehe in der Kunst für Kompromisslosigkeit, seit 30 Jahren schon“, sagt Miron Zownir beim Treffen im Café Kotti am Kottbusser Tor, wo der Teilzeit-Kreuzberger Ünel ihn aus Prenzlauer Berg hinbestellt hat. Die beiden sitzen bei Kaffee und Wein zwischen Müßiggängern, Migranten, Hipstern und palavern laut und leutselig über Künstlertum und Gesellschaft. Den Finger schmerzhaft in deren Wunden zu bohren ist ihr Anspruch, ein bisschen zornige Pose aber auch. gba

Babylon Mitte, Rosa-Luxemburg-Straße 30, So 4.12., 20 Uhr, 12 Euro

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