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Berlin: Stadtmenschen: Andächtige Stille

Dienstagabend, Bayrische Landesvertretung. Die aufstrebenden Blumengestecke wären auch eines Osteraltars würdig.

Dienstagabend, Bayrische Landesvertretung. Die aufstrebenden Blumengestecke wären auch eines Osteraltars würdig. Von ihnen umrahmt spricht Kardinal Ratzinger zu etwa 650 geladenen Gästen, die sich, teils stehend, keines seiner Worte entgehen lassen. Es wird geradezu andächtig still, als Ratzinger anfängt zu sprechen. Der Kardinal, der in seinem Buch über "Gott und die Welt" gesagt hat, dass "der Glaube verdunstet" - und der gerne pointiert formuliert, beschreibt die Wurzeln Europas, die Entwicklung. In der Gegenwart, in der eine "absolute Profanität" herrsche, seien die Werte jedoch nicht mehr stabil und die Christenheit sei im Angesicht von Multikulturalität zu einer "schöpferischen Minderheit" geworden. Der evangelische Landesbischof Wolfgang Huber ist auch anwesend. "Die Christen als schöpferische Minderheit?" fragt er. Seinerseits könne er höchstens das Wort schöpferisch gelten lassen, eine Minderheit seien die Christen hierzulande ja dann doch nicht. "Ein voreilig gefasster Begriff", räumt Ratzinger ein. Er habe ja nur sagen wollen, dass wer Deutscher ist, jetzt nicht mehr automatisch Christ sei. Deutsch und christlich, das sei nicht mehr deckungsgleich. "Exzellenz", will jemand wissen, "lässt denn das Gesagte Rückschlüsse auf die Leitkultur zu?" "Eminenz!", berichtigt jemand forsch aus dem Publikum. Und Ratzinger hält diesen aufgeladenen Begriff der Leitkultur für ganz und gar diskussionsuntauglich.

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