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Berlin Mitte Sim

© Simulation: Stadtentwicklungsverwaltung

Stadtplanung: Die Mitte wächst – zusammen

Gertraudenstraße, Mühlendamm und Grunerstraße werden schmaler und machen Platz für ein neues Stadtviertel nach altem Vorbild. Das Zentrum um den Alexanderplatz soll attraktiver werden.

Noch macht sie ihrem Namen alle Ehre. 53 Meter ist die Breite Straße breit, künftig werden es 35 sein, die Fahrbahn wird um zehn auf 14 Meter verengt. Die Bauarbeiten, die Montag beginnen, sind der erste Schritt zum größten Straßenrückbauprojekt in der Stadtmitte.

In fünf bis sechs Jahren soll zwischen Spittelmarkt und Alexanderplatz nichts mehr so sein wie bisher. Nicht nur die Breite Straße wird schmaler, sondern die gesamte Trasse aus Gertraudenstraße, Mühlendamm und Grunerstraße. Die historischen Kerne der Teilstädte Berlin und Cölln sollen so teilweise wieder entstehen und zugleich ein neues Stadtviertel zwischen Rotem Rathaus und Altem Stadthaus aus dem Boden gestampft werden.

Es ist der ehrgeizigste Teil des Planwerks Innenstadt. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher setzt das fort, was ihr Vorgänger Hans Stimmann eingeleitet hat: „Wir haben hier die große Chance, ein innerstädtisches Areal attraktiver zu machen.“ Kursänderungen hat sie nicht vor: „Ich habe keinen Anlass, diese Pläne nicht so umzusetzen.“ Ihre Verwaltung erhält Rückenwind durch das Ende der Rezession auf dem Bausektor. Die Bereitschaft, in Berlin zu investieren und zu bauen, habe zugenommen, sagt sie.

Ohne Investitionen von privater Seite wird es auch nicht gehen. Zwar sind die nötigen Millionen für den Straßenumbau in der mittelfristigen Finanzplanung des Senats enthalten, das Finanzierungskonzept baut jedoch auf folgendes Prinzip: Straßen zurückbauen, Grundstücke gewinnen und möglichst teuer verkaufen. Am Ende, so die Stadtentwicklungsverwaltung, soll Berlin nicht nur seine historische Mitte wieder haben, sondern auch bei dem gesamten Projekt einen Überschuss verbuchen.

Das bezweifelt Thomas Flierl, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Linkspartei. „Es ist eine Legende, dass dies kostendeckend funktioniert.“ Die Stadtentwicklungsverwaltung hält dagegen. „Unsere Berechnungen haben wir zusätzlich durch Gutachten bestätigen lassen“, sagt Sprecherin Petra Rohland.

Auch wenn die Bauarbeiter am Montag an der Breiten Straße anfangen, ist der inhaltliche Streit um die Pläne noch nicht beigelegt. Flierl: „Grundsätzlich tragen wir den Rückbau der großen Straßen mit.“ Aber: „Wir wollen sicherstellen, dass eine funktionstüchtige Verkehrsverbindung nicht in Frage gestellt wird.“

Rund 70 000 Fahrzeuge nutzen täglich diese Verbindung, 50 000 sollen es sein, wenn die Straßen verengt worden sind. Den Rückgang des Verkehrs will die Stadtentwicklungsverwaltung durch ein Gesamtkonzept erreichen, das sich, knapp formuliert, auf die Formel bringen lässt: Durchgangsverkehr aus der Innenstadt heraushalten, auf Tangenten, wie die Stadtautobahn, umleiten und den öffentlichen Nahverkehr ausbauen.

Was mit der Linkspartei nicht zu machen sei, so Flierl, sei der Abriss der Gertraudenbrücke und der Ausbau der historischen Brücke (siehe Kasten). Zu teuer, findet er; der Aufwand sei nicht gerechtfertigt. „Mit der gigantischen Erweiterung der alten Gertraudenbrücke auf die Maße der jetzigen Brücke, also sechs Fahrspuren plus Straßenbahn, erhält die alte Brücke genau die Autobahndimensionen, die man jetzt kritisiert. Flierl vermutet: „Das soll nur passieren, damit auf der Südseite der Straße, am Spittelmarkt, noch ein Baufeld entsteht, das verkauft werden kann.“ Um einen neuen, grünerern Spittelmarkt zu bauen, bedürfe es aber keiner Bebauung am Ufer. Auch der Bezirk Mitte kann sich damit anfreunden, die alte Brücke beizubehalten.

Flierl möchte außerdem darüber diskutieren, ob das Alte Stadthaus von Ludwig Hoffmann, das die Silhouette am Molkenmarkt prägt, so zugebaut werden soll, wie es die Pläne vorsehen. „Ich habe damit ein stadtgestalterisches Problem, wenn die Wirkung des markanten Gebäudes so beschnitten wird.“ Dem hält die Verwaltung entgegen, dass ein neuer Platz vor dem Stadthaus entstehe, der auch zum Verweilen einlade.

Über die große Linie und die Idee des Plans sind sich nach langem Streit alle einig. Sogar Flierl, der sich früher der Kritik aussetzen musste, er wolle in jedem Fall den Grundriss der sozialistischen Stadtplanung Ost-Berlins erhalten, sagt über die Verkehrsachse Grunerstraße: „Sie ist ein städtebauliches Unglück.“

Und der Faszination, durch den Rückbau der Straßen etwas Ähnliches wie einen mittelalterlichen Stadtkern, den Jüdenhof und den Molkenmarkt wieder zu gewinnen, sind längst nicht mehr nur die Planer in Regula Lüschers Verwaltung erlegen. Auch die Senatsbaudirektorin selbst schwärmt: „Wir können uns auf diese Weise einen Teil der Innenstadt zurückholen, der über Jahrzehnte hinweg verloren war.“

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