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Tanja Wielgoß, Vorstandsvorsitzende der Berliner Stadtreinigung (BSR).

© Mike Wolff

Stadtreinigung Berlin: „Es wäre schön, wenn sauber cool wäre“

BSR-Chefin Tanja Wielgoß über besonders schmutzige Kieze, den Beitrag der Stadtreinigung zum Klimaschutz – und das Ziel, mehr Frauen ins Unternehmen zu holen.

Berlin wächst, verändert sich und soll zudem klimaneutrale Stadt werden. Was bedeutet das für die Zukunft der BSR?

Wachsende Stadt und mehr Menschen bedeuten zunächst einmal mehr Arbeit – mehr Müll, mehr Dreck auf der Straße, und das Leben verändert sich auch. Berliner und Gäste sind viel mehr draußen als früher und lassen sich inzwischen selbst Pizza in den Park liefern. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Lust, an dieser wachsenden Stadt mitzumachen und mit ihr zu wachsen. Daher wächst die BSR nach langer Zeit des Personalabbaus wieder.

Die Stichworte Bio und Klima sind Prioritäten des neuen Senats – und für uns auch. Zum 1. Januar haben wir flächendeckend die Laub- und Gartentonne als neues Produkt aufgenommen, damit man die Grünreste eben nicht in die Restmülltonne schmeißt. Wir entwickeln im Aktionsbündnis mit der Wohnungswirtschaft gemeinsame Lösungen für Müllvermeidung und -trennung. Und wir sind auch gerade dabei, eine neue Klimaschutzvereinbarung mit dem Land Berlin abzuschließen.

Wünschen Sie sich vom Senat politische Initiativen gegen die Wegwerf-Lawine der To go-Nutzer?

Ich tue mich schwer, dies als Unkultur zu bezeichnen. Wir nehmen hier ja nur eine Kultur auf, die es anderenorts wie den USA schon sehr lange gibt. Man sollte eher versuchen, diese To-go-Kultur mit den Werten zu verknüpfen, die wir sonst hier haben. „To go“ muss nicht bedeuten, was wegzuwerfen. Wir wollen „to go“ umweltfreundlicher gestalten und damit die Abfallflut zu beschränken.

Deshalb haben wir selber einen To-go-Becher entwickelt, den man nicht wegwirft, sondern behält – den „Better World Cup“. Den haben wir bewusst ohne BSR-Logo entwickelt, damit er von vielen Menschen und Unternehmen in der ganzen Stadt benutzt werden kann. Es bringt nichts, den Leuten den Spaß wegzunehmen, man muss ihn so gestalten, dass alle Seiten etwas davon haben.

Viele klagen, Berlin sei eine dreckige Stadt.

Ich glaube, dass Berlin insgesamt eine saubere Stadt ist. Auch Studien zusammen mit der Humboldt-Universität bescheinigen objektiv, dass Berlin in den vergangenen zehn Jahren sauberer geworden ist. Parallel dazu ist auch das Bewusstsein gewachsen, dass sauber und schön und sicher zusammengehören. Früher war es doch total uncool, sich überhaupt über Sauberkeit zu unterhalten.

Heute ist es nicht nur okay; im Gegenteil – es gehört zum Wohlfühlen dazu. Schön wäre, wenn sauber überall cool wäre. Es ist eigentlich eine Minderheit, denen das Thema egal ist. Die Mehrheit wünscht sich ein sauberes Berlin. Wenn wir junge Leute ansprechen, wenn wir in Kitas und Grundschulen sind, dann merken wir, wie wichtig es ist, gerade den Jüngeren diese Verantwortung für eine saubere Stadt zu vermitteln. Da dürfen wir auch nicht nachlassen.

Eigenverantwortung ist auch der Ansatz der Tagesspiegel-Aktionstage „Gemeinsame Sache“ – Berlin ist unsere Stadt, und auf uns kommt es an, dass wir uns hier wohlfühlen.

Absolut. Wir glauben, dass das Thema Sauberkeit für die Stadt oben auf der Agenda stehen sollte. Da können wir Berlin noch lebenswerter machen, wenn wir gemeinsam anpacken. Aber wir haben natürlich ein paar kritische Entwicklungen – etwa das Thema illegale Entsorgung. Wir bemerken mit Sorge, dass sie eher zu- als abnimmt. Wie wird man dem Herr? Es gibt jetzt zwar eine App, da kann man Fotos machen und zum Ordnungsamt schicken, damit dann die BSR den Müll entsorgt. Das ist aber ein Kurieren an Symptomen und macht es den schwarzen Schafen noch leichter, den Müll einfach auf die Straße zu stellen. Im Extremfall schicken sie dann selbst das Foto ans Ordnungsamt.

Ebenso skeptisch sehen wir Forderungen, dass wir wieder eine kostenlose Sperrmüllabfuhr brauchen. Das wird nichts bringen. Wir haben Erfahrungen mit der kostenlosen Entsorgung – nämlich die Weihnachtsbaum-Abfuhr – doch viele Leute ignorieren die Termine und werfen den Baum irgendwann zwischen dem 25. Dezember und Ende April einfach auf die Straße. Wir haben dann zusätzliche Arbeit und die Stadt sieht vermüllt aus. Man wird das Thema nicht lösen, indem man den Leuten sagt, ihr könnt die Sachen einfach rausstellen, und dann kommt die BSR. Wir müssen vielmehr klar sagen: Die BSR macht ihre Arbeit, daneben aber ist jeder selbst verantwortlich, und wenn sich jemand nicht daran hält, dann muss es Sanktionen geben.

Wien hat „Waste Watcher“, die Strafzettel verteilen dürfen – ein Modell für Berlin?

Nein, das ist keine Lösung. Wir glauben an Aufgabenteilung. Gesetze durchzusetzen ist keine Unternehmensaufgabe. Das kann nur die Stadt machen.

Sie sehen die Ordnungsamts-App kritisch?

Diese App ist ein Behelfsmittel. Wir erheben derzeit Daten, in welchen Ortsteilen bevorzugt illegal Müll entsorgt wird. Da sehen wir, dass es Brennpunkte gibt, etwa in Neukölln. Da sind wir im intensiven Gespräch mit Neuköllns Bürgermeisterin Giffey, die das Thema auch hoch auf ihrer Agenda hat. Wir benötigen ein Aktionsbündnis, in dem wir alle arbeiten.

Über Hundebeutel und Feinstaub

Engagiert: Tanja Wielgoß, Vorstandsvorsitzende der Berliner Stadtreinigung (BSR).
Engagiert: Tanja Wielgoß, Vorstandsvorsitzende der Berliner Stadtreinigung (BSR).

© Mike Wolff

Sind die Problemzonen, wo viel Müll illegal entsorgt wird, auch die Orte, wo gleichzeitig viel Reinigungsbedarf besteht?

Das Sauberkeitsempfinden ist an vielen Orten gering entwickelt. Auf Neukölln richten sich immer viele Blicke. Man hat aber auch in Wedding, in Kreuzberg, in Friedrichshain und selbst in Charlottenburg Zonen, wo das Bewusstsein weniger ausgeprägt ist als in anderen Kiezen.

Erleben BSR-Mitarbeiter, dass sie wie Polizisten und Feuerwehrleute in ihrer Arbeit behindert werden und Anfeindungen ausgesetzt sind?

Behindert oder tatsächlich angegriffen werden wir kaum. Müllwerker und Straßenreiniger erleben sowohl Anerkennung, werden aber teilweise auch angepöbelt. Das passiert etwa dann, wenn ein Müllfahrzeug im Weg steht. Da werden übrigens nicht nur Männer ausfällig. Aber man kann nicht sagen, dass unsere Leute masTo-Go-Becher

siv angegangen werden. Unbegründet war etwa unsere anfängliche Sorge, dass es bei der Reinigung des Görlitzer Parks zu Konflikten kommt. Unsere Leute wirken einerseits offiziell, weswegen sich viele Menschen auch sicherer fühlen, wenn wir vor Ort sind. Gleichzeitig haben wir aber eine andere Rolle als Polizei und Feuerwehr. Deswegen gibt es zwar Einzelfälle, aber eine Systematik gibt es nicht, dass wir an bestimmten Orten regelmäßig Probleme haben.

Seit Juni 2016 haben sie als Pilotprojekt die Reinigung von zwölf Parks übernommen. Warum machen sie das nicht für alle Parks?

Wir sind in einem Probebetrieb – da hat es Sinn, erst einmal zu prüfen, ob wir es überhaupt können. Die externen Befragungen der Besucher der Pilotparks erbringen exzellente Werte. Bevor wir dort aktiv waren, haben weniger als die Hälfte der Besucher die Parks als sauber eingestuft, jetzt liegen wir dort bei über 80 Prozent. Das ist eine wirklich tolle Bilanz für diese Arbeit, für die wir 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt haben – übrigens je 50 Frauen und Männer.

Das Pilotprojekt läuft bis Ende 2017, wir sind in Gesprächen mit dem Senat, wie es dann weitergeht. Sowohl im BSR-Unternehmensvertrag mit dem Senat als auch im Koalitionsvertrag betont das Land sein Interesse, das Projekt auszuweiten. Wir können uns das gut vorstellen.

Nervfaktor Hundedreck: Wächst bei den Hundebesitzern die Beutel-Disziplin?

Vor zehn Jahren gehörte das Thema zu den drei meist genannten Problemen. In aktuellen Studien taucht es nicht mehr unter den Top 10 auf. Es ist noch ein Ärgernis, aber man sieht jetzt selbst großflächig tätowierte Männer, die mit dem Beutel den Hundedreck beseitigen. Das sind positive Zeichen, aber zufrieden sind wir noch nicht.

Wir haben die Debatte um die Diesel- und Feinstaub-Belastung in Städten. Was tut die BSR?

Was die Klimabelastung durch unseren Fuhrpark angeht, liegen wir in Deutschland im positiven Sinne weit vorne. Die Hälfte unserer Müllfahrzeuge fährt mit unserem selbst produzierten Biogas. 70 Prozent der 1600 BSR-Fahrzeuge sind Euro 5 und besser, was im Nutzfahrzeugbereich ein Spitzenwert ist. Im Fahrzeugbereich ist aber noch mehr möglich. Wir werden jetzt elektrische Kehrmaschinen testen, wobei es bei Gehwegen noch Probleme mit dem hohen Gewicht der Batterien gibt. Wir arbeiten mit den Herstellern zusammen, um leichtere Fahrzeuge zu entwickeln. Elektrische Lastenfahrräder testen wir auch – die setzen wir etwa bei der Reinigung des Geländes der Internationalen Gartenausstellung ein.

Bei all diesen Aufgaben: Wird die BSR teurer für die Berliner?

Wir haben mit dem Land bis 2030 Tarifstetigkeit vereinbart, wollen die Gebühren nur sehr moderat erhöhen. Zum 1. Januar haben wir die Tarife um 1,9 Prozent erhöht – damit liegen wir weit unter der Steigerung der Personalkosten. Wir haben in Berlin mit die günstigsten Gebühren in Deutschland für Müllentsorgung und Straßenreinigung. Das soll so bleiben.

Die BSR galt mal als ein reiner Männerbetrieb.

Das stimmt nicht mehr. Wir sind in den Führungspositionen bei 37 Prozent Frauenanteil und arbeiten daran, auf 40 Prozent zu kommen. Bei der Straßenreinigung sind wir noch nicht so weit; doch auch da wollen wir noch weiblicher werden: Wir stellen hier systematisch immer 50:50 Frauen und Männer ein. Und freuen uns daher auch, wenn sich möglichst viele Damen bei uns bewerben.

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