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Berlin: Staffelstab für die Tochter

Zünftig-festliche Einstimmung auf die nächste Saison der Brandenburgischen Sommerkonzerte

„Das haben wir schon immer so gemacht“, ist ein Satz, den Werner Martin mindestens so hasst wie den, der lautet: „Das haben wir früher nie so gemacht.“ Dabei ist das Erfolgsmodell, mit dem er die Brandenburgischen Sommerkonzerte zwölf Jahre lang erfolgreich geführt hat, völlig zeitlos. Das Familienprinzip funktioniert erstaunlicherweise auch auf einem Markt, um den sich glattgeföhnte Profi-Fundraiser immer heftiger balgen: dem Werben um Sponsoren. Den Sponsoren des ausschließlich privat finanzierten Festivals ist traditionell das „Schönste Fest des Jahres“ gewidmet.

Man traf sich also auf dem BVG-Betriebsgelände in Charlottenburg, das nicht nur verkehrstechnisch äußerst günstig dort liegt, wo Spree und Landwehrkanal zusammenfließen, sondern auch genau den loftigen, altindustriellen Charme atmet, der so en vogue ist. Für die feierliche Stabsübergabe an ein neues, junges Führungs-Team hatte man eine der Hallen mit tausend Birken geschmückt, den Boden mit vielen Lastwagenladungen frisch getrockneten Laubs herbstlich dekoriert und darauf weiß gedeckte, mit silbernen Kandelabern, dicken weißen Kerzen und Rosenblättern bestreute Tafeln aufgebaut. Die reizvolle Kombination von fürstlich und ländlich passte stilistisch perfekt zum Sinn des Festes. Von fürstlichen Beiträgen hängt nicht zuletzt die Zahl der Landpartien im kommenden Sommer ab. Zur Einstimmung musikalisch untermalte Bilder der letzten Saison: die lange Kaffeetafel neben der Basilika von Stettin, die Harfenistin unter einem Engelsgemälde, Sonnenuntergänge hinter weiten Sommerwiesen. Das gekonnte Spiel mit archaischen Elementen, mit Musik und Natur entfaltet seinen Charme vollendet in den malerischen Pfarrgärten kleiner märkischer Dörfer durch die Werner Martin nach allen Seiten grüßend schreitet, bevor er zum Konzert mit kerzengerader Haltung in der vordersten Reihe Platz nimmt. „Ich hätte nie gedacht, dass wir so viel bewegen, so viele Freunde gewinnen würden.“ Bei aller notwendigen Verjüngung halten ihn viele für unersetzlich, unter anderem, weil er es so meisterhaft versteht, den Freunden und Förderern des Festivals das Gefühl zu geben, Teil einer großen Familie zu sein. Das Prinzip geht in schlechten Zeiten besonders gut auf: Familien halten besser zusammen als die flüchtigen Gewächse der Spaßgesellschaft. Rituale gehören dazu. Diesmal nimmt Jörg Schönbohm das bei allen feierlichen Anlässen überreichte KPM-Porzellan-Geschenk entgegen für den brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck, der Manfred Stolpe als Schirmherr ablöst. Die mit Anfang 20 noch sehr junge neue Geschäftsführerin Stefanie Martin hat die ersten Bewährungsproben mit Bravour bestanden und wurde wie die anderen alten und neuen Vorstands-Mitglieder auf die Bühne geholt. Den Ritualen folgen Improvisationsanekdoten aus den frühen Jahren, zum Beispiel die vom (für die gute Sache) Blumen klauenden Kantor. Applaus, Büfett, Musik.

Ausblicke auf die kommende Saison gab Thomas Schmidt-Ott, Orchesterdirektor des deutschen Sinfonie-Orchesters, das nach dem Vorbild des Tanglewood-Festivals auch im kommenden Jahr fester Bestandteil der Sommerkonzerte sein wird. Man will den Blick nach Osten weiten, auch was die aufgeführten Komponisten betrifft. Der Schauspieler Christoph Quest, der für eine kurze Lesung im letzten Moment einen ironischen Heine-Text zugunsten eines Goethe-Stücks verworfen hat, fragte beim dritten Glas Rotwein plötzlich: „Wissen Sie, was nach Gesellschaft kommt?“ Mmmh. „Was kommt denn nach dem Gesellen?“ Richtig. Meisterschaft.

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