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Schweine im Weltstall. Landwirt Werner Mette kümmert sich um die 3000 Nutztiere aus aller Herren Länder.

© Paul Zinken

Stallmeister auf der Grünen Woche: Der Messe-Bauer

Werner Mette ist einer der letzten Landwirte Berlins. Und als Stallmeister auf der Grünen Woche kümmert er sich um 3000 Tiere.

Mit Kuhfladen hat Werner Mette sonst kein Problem. Aber hier, auf dem Hallenboden neben den Ställen, schon. „Umgehend entfernen“, ordnet er per Funkgerät an. Wenige Minuten später tauchen zwei Helferinnen auf und machen sauber. Wieder knistert das Walkie-Talkie, und Mette eilt zu einer Stallbox in der Mitte der Tierhalle 25 auf der Grünen Woche. Ein Pferdebesitzer ist sauer, er behauptet, für seine Tiere mehr Boxen reserviert zu haben, als er nun bekommen soll. Eigentlich sind alle 94 kleinen Ställe belegt. Mette schaut auf den Hallenplan und überlegt, welche Tiere zusammengelegt werden können. Die Alpakas, die am Montagmorgen überraschend kamen, hat er schließlich auch untergebracht.

Werner Mette, 45, ist in diesen Tagen ein Organisationstalent. Er muss es sein. Als Stallmeister der Grünen Woche kümmert sich der Bauer aus Buckow um 3000 Nutztiere inklusive Fischen und Bienen in der Tierhalle, der angrenzenden Halle 26 („Jagd und Angeln“) und auf dem Erlebnisbauernhof in Halle 3.2. Mette dirigiert Neuankömmlinge in die Stallboxen, sorgt dafür, dass es die Ferkel warm haben und die Rinder kühl. Er weiß, wo die insgesamt etwa 60 Tonnen Heu, Stroh, Sägespäne und Futter während der zehntägigen Messe hingehören. Die Tierpfleger sind gut beraten, sich nicht mit ihm anzulegen. „Am kniffligsten ist, wenn die Leute was nicht einsehen wollen und es besser wissen“, sagt Mette.

Die Grüne Woche ist für Bauer Mette ein 24-Stunden-Job. Wenn die Besucher abends gegangen sind, überprüft er noch einmal alles, bevor er schlafen geht. Sein Bett steht in der Tierhalle. „Der Stallmeister gehört in den Stall, rund um die Uhr“, sagt Mette. Er will da sein, wenn Tiere Junge bekommen wie im vergangenen Jahr. Nur am Montagabend fuhr er auf seinen Bauernhof nach Buckow: Er wollte seinem ältesten Sohn zum zehnjährigen Geburtstag gratulieren.

Mettes Hof liegt nahe Gropiusstadt, unweit der Landesgrenze zu Brandenburg. Von dort aus bewirtschaftet Mette 100 Hektar Land, verteilt auf acht Orte, vier Bezirke und zwei Bundesländer. Mette baut Weizen und Gerste an, Raps und Sonnenblumen, Gladiolen und Zuckermais, in diesem Jahr sollen Erdbeeren hinzukommen. Statt Kühen hält er vom Aussterben bedrohte Arten wie das Ungarische Wollschwein, das Ungarische Zackelschaf oder das Ungarische Steppenrind mit seinen ein Meter langen Hörnern. „Weil die nicht jeder hat“, sagt er.

Mette ist einer der letzten Vollzeitbauern der Stadt. In diesem Jahr ist er zum ersten Mal Stallmeister auf der Grünen Woche, um den Hof kümmert sich jetzt seine Frau. In den vergangenen acht Jahren war er zweiter Stallmeister, und schon seit Vater zeigte bis zum Mauerfall Rinder in den Messehallen.

Den seit 1870 bestehenden Familienhof führt Mette in der vierten Generation, sein Beruf war nahezu vorbestimmt. „Herz und Seele hängen an der Landwirtschaft, das wollte ich immer machen“, erzählt er. Sein Vater bestand aber auf einer Ausbildung, zur Sicherheit, und Mette lernte Kfz-Mechaniker. 1989 kehrte er auf den väterlichen Hof zurück. Wenn heute Jugendliche in die Landwirtschaft gehen, freue er sich. Dennoch würde er auch seinen Kindern dasselbe raten wie sein Vater: Erst mal einen anderen Beruf lernen, sicher ist sicher. „Wir Landwirte kriegen unsere Kosten nicht gedeckt, es ist schwer, über die Runden zu kommen.“ Trotzdem versucht die Branche auf der Grünen Woche Lust zu machen auf Agrarberufe. Beim Ausbildungstag am Montag informierten Imker, Bauern und Gärtner. Mit Erfolg? „Nee“, sagen die Achtklässler Nico und Christopher von der Sportschule in Frankfurt (Oder). Sie seien in der Stadt aufgewachsen und wollten nicht aufs Land. Die meisten Jugendlichen, die sich hier informieren, haben andere Berufspläne. Es gefalle ihm schon auf der Grünen Woche, bekennt André von der Freien Oberschule Finow in Eberswalde, „aber ich kenn’ mich in dem Bereich ja nicht aus“.

Genau hier will Hans-Benno Wichert ansetzen. Wichert ist Bildungsbeauftragter des Deutschen Bauernverbands und kämpft gegen die klischeebehaftete Darstellung der Agrarberufe. Mit der ländlichen Idylle aus „Bauer sucht Frau“ habe die moderne Landwirtschaft wenig zu tun, sagt Wichert. In der hochtechnisierten Agrarwirtschaft seien Unternehmer gefragt. Neben dem klassischen Landwirt gebe es 13 weitere Berufe in der Agrarbranche, etwa Gärtner, Pferdewirt oder Forstwirt. An den Hochschulen gebe es einen Boom im Grünen Bereich. Für die Ausbildungsberufe fehlten allerdings häufig qualifizierte Schulabgänger, vor allem in Ostdeutschland blieben viele Ausbildungsplätze unbesetzt.

Stallmeister Werner Mette sieht noch ein anderes Problem. „Die Leute sollten wieder etwas ländlicher leben“, wünscht er sich. Obstbäume, Gemüsebeete und herumlaufende Hühner seien aus den Gärten der Menschen völlig verschwunden. „Ich sehe nur schicke Häuser und feinen englischen Rasen, das ist alles viel zu steril“, sagt er. Freilaufende Hühner würde er in den Messehallen allerdings auch nicht dulden.

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