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Berlin: Stammgast im Roten Rathaus

Der Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow besucht Berlin. Zentrales Gesprächsthema ist die geplante Metropolenkonferenz von London, Paris, Berlin und Moskau

Auf jedem Tellerchen mit Keksen und Konfekt liegt eine lila Orchideenblüte. Das goldverzierte Muster des Kaffeegeschirrs erinnnert an russische Tradition, aber es kommt aus der Rathaus-Kantine. Im Senatssitzungssaal ist für 18 Personen gedeckt, die Tischkarten tragen das Berliner Wappen mit vergoldetem Mauerkrönchen. Klaus Wowereit hat Zeit für einen prüfenden Blick, bevor er den Moskauer Oberbürgermeister unten an der Treppe empfängt. Juri Luschkow hat sich etwas verspätet, das gehört wohl zum Ritual.

Luschkow hat „aufgehört, seine Berlin-Besuche zu zählen“, er ist hier schon Stammgast. Diesmal hat er eine Wirtschaftsdelegation mitgebracht, und deshalb ist auch die Beauftragte der deutschen Wirtschaft, Andrea von Knoop, im Roten Rathaus dabei. Eine Stunde wird über Zukunftsprojekte der beiden Partnerstädte geredet. Luschkow interessiert sich sehr für die Berliner Bürgerämter: „Dieses Ein-Fenster-System führen wir auch ein.“ Und er möchte von Berlin wissen, wie so schnell die Plattenbausanierung funktioniert hat. In Moskau seien eine Million Menschen davon betroffen.

Vor allem wird über die Luschkow-Idee der Vier-Städte-Achse Moskau – Berlin – Paris – London geredet. Die erste Metropolenkonferenz der vier Bürgermeister ist für April 2003 in Moskau geplant. Und dann stehen im Juli wieder die jährlichen Berlin-Moskau-Tage an, diesmal in Berlin.

Mit Wodka werden die guten Vorsätze aber nicht begossen, nur Wasser und Säfte stehen neben den Kaffeetassen. „Ich trinke überhaupt keinen Alkohol“, sagt Luschkow. Und sein Vize-Bürgermeister Iosif Ordschonikidse ruft belustigt: „alkoholfreies Bier!“ Der Regierende weiß das längst, aber er freut sich, dass sein Gast damit ein Gerücht aus der Welt räumt. Es besagte, dass Wowereits Moskau-Besuch im Mai deshalb etwas frostig gewesen sei, weil es Wowereit abgelehnt habe, mit Wodka anzustoßen. Und das bedrückte Begrüßungsessen, das Luschkow seinem Vize überließ, hatte nur damit zu tun, dass Ordschonikidse am Vorabend knapp einem Attentat entgangen war; es gab Tote.

Jedenfalls zeigen sich Luschkow und Wowereit gut gelaunt. Auf die Pressefrage, ob er seine Herzlichkeit mit Eberhard Diepgen auch auf Wowereit übertrage, meint Luschkow knapp, aber breit lächelnd: „Ich hoffe.“ Er sei sehr jovial, aber auch sehr machtbewusst, heißt es hinterher. Vermutlich hat er mehr zu sagen als jeder Regierende in Berlin. Die Region Moskau ist ökonomisch die wichtigste in der Russischen Föderation.

Damals, im Mai, war Wowereit überrascht, dass sein Vorgänger Diepgen schon da war und von Luschkow mit einer besonders freundschaftlich warmherzigen Geste geehrt wurde. Aber das habe ihn doch gar nicht gestört, sagt Wowereit, alles Quatsch.

Mittags traf er sich mit Luschkow im intimeren Kreis zum Essen im „Margaux“ Unter den Linden, und danach spazierten beide durchs Brandenburger Tor – Anschauungsunterricht, dass die Geschichte wieder eingerichtet hat, was sie angerichtet hatte. Der erste Weg führte Juri Luschkow Donnerstagabend aber doch zu seinem alten Freund Diepgen, ganz privat. Es war nicht sein erster Besuch bei Diepgens zu Hause.

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