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Berlin: Staps-Prozess: Vier Jahre Haft für den "sehr ehrlichen" Rechtsbrecher

Die Richter waren geduldig. Noch einmal setzte Olaf Jürgen Staps gestern zu einem längeren Monolog an.

Die Richter waren geduldig. Noch einmal setzte Olaf Jürgen Staps gestern zu einem längeren Monolog an. Es ging ihm um seine Freiheit. Denn Gefängnis, so der Brandstifter und Drohbriefschreiber, würde sein Verhältnis zum Staat noch weiter stören. Freizusprechen sei er, weil er sich lediglich gegen Unrecht gewehrt habe. Das Berliner Landgericht aber kam zu einem ganz anderen Schluss. Wegen Brandstiftung und Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten wurde der frühere FU-Student zu vier Jahren Haft verurteilt. Staps allerdings will sich damit nicht abfinden. Am Ende der Verhandlung schob er sich die langen Haare aus dem Gesicht und erklärte: "Ich werde auf jeden Fall Revision einlegen."

In dem Prozess war von Anfang an unstrittig, dass Staps im September 1999 in seinem Wohnhaus in der Grünberger Straße in Friedrichshain Feuer gelegt hatte. Dort war er trotz der Sanierung hartnäckig als einziger Mieter verblieben. Als die fristlose Kündigung kam, legte er aus Rache Feuer. Vier Monate später hatte Staps im Januar 2000 in Drohbriefen ein Attentat auf die traditionelle Luxemburg-Liebknecht-Ehrung angekündigt, weil er die PDS für seine Obdachlosigkeit mit verantwortlich machte. Die von ihm als "Verbrecherbande" bezeichnete Partei hatte die Baustadträtin gestellt. Er werde mit Maschinenpistole und Handgranaten auf die von der PDS geplante Veranstaltung mit erwarteten 100 000 Teilnehmern vorgehen, schrieb er. Aus Sicherheitsgründen durfte die Ehrung erst eine Woche später stattfinden und wurde dann von 2000 Polizisten beschützt.

Staps habe die Vorstellung, er müsste ins Obdachlosenheim ziehen, nicht verkraftet, sagte Richter Harald Jung. An 12 Stellen hatte der gebürtige Thüringer mit Spiritus und glühenden Kohlen Feuer gelegt. Das Gericht glaube dem Angeklagten, dass er keine Menschen verletzen wollte, hieß es weiter. Auch die Aussagen von Staps, wonach er weder die Möglichkeiten noch die Absicht hatte, seine Drohungen gegen die PDS-Veranstaltung umzusetzen, wurden von den Richtern nicht bezweifelt. Allerdings habe er in entscheidende Grundrechte, das auf Demonstrationsrecht und freie Meinungsäußerung, eingegriffen, meinte das Gericht. Staps sei bekannt gewesen, dass er Straftaten beging, stellte der Richter fest. "Er ist ehrlich, er ist sehr, sehr ehrlich", war einer der Punkte, die aus Sicht des Gerichts für den Angeklagten sprachen. Die Richter schlossen zudem nicht aus, dass Staps bei den Taten vermindert schuldfähig gewesen sein könnte. Dazu hatte ein Gutachter mehr gesagt, als dem Angeklagten lieb war. Seine Beziehungen zu anderen Menschen seien möglicherweise gestört, hatte der Psychiater eingeschätzt. Vielleicht lehne er alles ab, weil er sich selbst von Kindheit an als abgelehnt erlebt habe.

Als Staps Feuer legte, überließ er den Flammen fast sein gesamtes Hab und Gut. Der Mann, der als Einzelgänger, Querulant und Fanatiker gilt, hauste danach die ersten drei Monate seiner insgesamt 15-monatigen Flucht in dem stillgelegten Gefängnis in Rummelsburg. Ohne Heizung, in bitterer Kälte. Mit einem Laptop führte er Tagebuch und schrieb die Drohbriefe. Bereits kurz nach dem Abitur hatte er in der DDR seine "Karriere als Staatsfeind" begonnen. Nun hatte ihm seine Rache in eigener Sache in völlige Isolation gebracht. Es war wie eine "vorweg genommene Strafe", hieß es im Urteil.

Kerstin Gehrke

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