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Berlin: Stars im Gehege

Am 2. Juli 1955 ging es los – Ein Besuch bei Tieren, die es in den vergangenen Jahren zu Berühmtheit brachten

Eins von 400 Tieren kam zur Eröffnung im Cabriolet angereist. Das Wetter war strahlend und Wilhelm Pieck, erster und einziger Präsident der DDR, guter Laune. Im offenen Auto hatte er auf seinem Schoß Sonja, ein Löwenbaby. Es war der 2. Juli 1955, als der Tierpark in Friedrichsfelde eröffnet wurde.

Zwar ist Sonja lange tot, aber Tiere, die es zu Berühmtheit brachten, sind dem Tierpark nie ausgegangen. Einer hat die alle mit erlebt: Mao, der China-Alligator. Er lebt bis heute in der Krokodilhalle, ein lichtdurchflutetes Gebäude, das man als Besucher auf einer Brücke durchquert. Von oben schaut man auf die Echsenbecken. Mao war die Sensation, als er 1957 aus dem Zoo Peking nach Berlin kam. Wie der Alligator zu seinem Namen kam – ob er schon in Peking Mao hieß oder erst im Tierpark so genannt wurde –, wissen die Pfleger im Tierpark nicht. Heute ist Mao 1,70 Meter lang, das ist vergleichsweise klein – andere Tierpark-Krokodile messen drei Meter.

Im Nachbarhaus befindet sich die Schlangenfarm. Um die gab im Herbst 1993 einen ost-west-berlinischen Streit. Damals wurde diskutiert, die Reptiliensammlung im Zuge des erwogenen Zusammenschlusses von Tierpark und Zoo in den Westen umzusiedeln. 17 000 Berliner unterzeichneten eine Protestresolution an den damaligen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen. Mit Erfolg, am 5. November 1993 beschlossen die Aufsichtsräte von Zoo und Tierpark, dass nur die Riesenschlangen in den Westen umziehen.

Zu stiller Berühmtheit brachten es die seltenen Tiere im Tierpark. Eine echte Rarität sind etwa die Blauschafe, zu verdanken hat der Tierpark sie „der unverbrüchlichen Freundschaft“ der DDR zu China. So formulierte es im April 1993 Tierparkdirektor Bernhard Blaszkiewitz, als er zur Eröffnung der Freianlage für die Przewalskipferde sprach. Die Blauschafe zogen 1989 nach Friedrichsfelde, im Wendejahr. Es sind die einzigen ihrer Art in ganz Deutschland. Wer sattes Blau als Wollfarbe erwartet, wird enttäuscht: Sie sind grau. „Nach dem Fellwechsel sieht man mit ein bisschen Fantasie einen Blaustich“, sagt Tierparkmitarbeiter Enrico Matthies. Genauso unauffällig ist auch der Somali-Wildesel, ein beiges Tier mit schwarzen Beinen. Dabei führt der Park das internationale Zuchtbuch dieser Art, ist sozusagen der Oberbuchhalter der Arterhaltung.

Zu trauriger Berühmtheit brachten es grobe Dickhäutereltern. Gerade erst tötete die Elefantenmutter Pori ihr Neugeborenes. Im Jahr zuvor hatte die Nashornmutter Betty aus Ungeschicklichkeit ihrem 50 Kilo schwerem Sohn Patna den Unterschenkel gebrochen. Ein Jahr mit Fußbandage war die Folge, jetzt muss Patna isoliert im Gehege nebenan leben.

Zum Fall für die Kripo wurden Tierparktiere im Jahr 1990. Da wurde ein Hyazinth-Ara-Paar gestohlen. Als die Täter die Papageien verkaufen wollten, flogen sie auf. Die Frau, der die Tiere angeboten wurden, informierte den Tierpark, der die Polizei, man traf sich in Kreuzberg. „Die Papageien schrien zur Begrüßung so laut, dass sofort klar war: Das sind unsere“, sagt Enrico Matthies. Der Handel mit Hyazinth-Aras ist seit 1973 verboten, der Schwarzmarktwert lag bei über 5000 Euro. Das Paar hat den Ausflug gut überstanden und seitdem mehrmals gebrütet. Ein weiteres Mal ermittelte die Polizei im Juni 1992 im Tierpark. Vier Jugendliche hatten Schafe, Pinguine, Störche und Gänse erstochen, ertränkt, erschlagen. „So massiv und brutal ist im Tierpark noch nie gewütet worden“, sagte Jürgen Ziebarth, damals der diensthabende Inspektor. Ein Pinguin harrte im Gebüsch außerhalb des Geheges aus, bis ein Gärtner ihn einen Tag später fand. Der Pinguin lebt heute noch im Tierpark, welcher der Gruppe es jedoch ist, können die Pfleger nicht ohne Chip-Lesegerät sagen.

So aufregend kann das Tierparkleben sein. Fragt sich nur, wieso man, wenn man die Tiere in ihren Gehegen sieht, denkt, die liegen nur faul herum. Mal sehen, wie sie reagieren – wenn am Wochenende in ihrem Zuhause gefeiert wird.

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