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Berlin: Stasi-Debatte: Pflüger greift Flierl an

CDU-Spitzenkandidat besucht Gedenkstätte in Hohenschönhausen

Mit jedem Schritt wuchs die Beklemmung. Auf dem besonnten Hof des ehemaligen Stasi-Gefängnisses in Hohenschönhausen wirkte die Schülergruppe des Lichtenrader Ulrich-von-Hutten-Gymnasiums noch ganz entspannt im Hier und Jetzt. Friedbert Pflüger, der designierte Spitzenkandidat der Berliner CDU, besichtigte gemeinsam mit der Gruppe am Freitagmittag die Haftanstalt an der Genslerstraße. Als es hinunter in das so genannte U-Boot ging, einen Keller mit bunkerartigen, fensterlosen Zellen und viel zu kurzen Holzpritschen darin, schwiegen die meisten, während Reinhard Fuhrmann, ein ehemaliger Häftling, über die Haftbedingungen sprach.

Pflüger war gekommen, um sich für die Gedenkstätte, die Leute, die dort arbeiten, und für deren Leiter Hubertus Knabe einzusetzen. Nach dem Streit um eine Podiumsdiskussion in Lichtenberg, bei der 200 ehemalige Stasi-Leute aufgetreten waren und Ex-Häftlinge verspottet hatten, wolle er „bekunden, wie wichtig diese Gedenkstätte jetzt ist“, sagte er. Kultursenator Thomas Flierl war nach der Podiumsdiskussion heftig kritisiert worden, weil er den Stasi-Leuten nicht entschieden genug entgegengetreten war. Pflüger sagte über Flierl: „Wir dürfen nicht selbstgerecht über DDR-Biografien entscheiden.“ Noch am Donnerstag habe der Kultursenator im Abgeordnetenhaus die Chance gehabt, sich für den Auftritt zu entschuldigen. Diese Chance habe er aber nicht genutzt.

Die Propaganda der ehemaligen Stasi-Leute geht unterdessen weiter. Auf einer Internetseite schreiben Ex-Stasi- Mitarbeiter, Knabe sei ein „Volksverhetzer“. Der ehemalige Leiter der Hohenschönhausener Haftanstalt klagt in einem Aufsatz über „infame Hetze gegen diese Untersuchungshaftanstalt und die anderen UHA des MfS sowie die dort tätig gewesenen Mitarbeiter des Untersuchungshaftvollzugs“.

Zur Gedenkstätte gehören nicht allein die Zellen im „U-Boot“ mit einigen Räumen, in denen Untersuchungsgefangene misshandelt werden konnten. Ein größerer Komplex enthält einen großen Zellentrakt und ganze Flure mit Verhörzimmern. Hier erklärte Reinhard Fuhrmann die Strategie, die Stasi-Mitarbeiter anwandten, um die Untersuchungshäftlinge unter möglichst großen inneren Druck zu setzen. Dutzende von Vernehmungen dienten vor allem dazu, den Häftlingen jede Hoffnung auf ein faires Verfahren zu nehmen. Pflüger wies die Schüler am Ende des Rundgangs darauf hin, dass es – bei allen Unterschieden zwischen der NS-Diktatur und dem DDR-Regime – „strukturelle“ Gemeinsamkeiten gab. Die lagen zum Beispiel im Terror gegenüber politischen Häftlingen. wvb.

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