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Gleichschritt: Arbeitssenatorin Dilek Kolat und BVG-Chefin Evelyn Nikutta stellen Arbeitsschutzbericht und u5-Baustelle vor.

© Bodo Schulz

Statistik der Arbeitsunfälle: Beschäftigte in Berlin verunglücken seltener als im Bundesschnitt

Berlin wächst so schnell wie keine andere deutsche Stadt. Deshalb muss schnell viel gebaut werden. Da häufen sich die Pannen. Nicht aber die Zahl der Unfälle. Mit 18,5 Unfälle je 1000 Beschäftigte steht Berlin gut da.

Dass Frauen ihren Marsch durch die Instanzen dieser Stadt vollziehen, zeigte sich am Mittwoch auf der Baustelle der U5 am Roten Rathaus: Alle Kameras waren auf eine der bestbezahlten Managerinnen öffentlicher Firmen Berlins und eine Senatorin gerichtet – die Männer, darunter der Chef des Landesamtes für Arbeitsschutz, standen am Rande. Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) hatte zur Vorstellung der Unfallstatistik eine der sichersten Baustellen Berlins ausgewählt und BVG-Chefin Sigrid Evelyn Nikutta mit auf die Bühne gebeten, die U5- und Bahnhofsbau „Berliner Rathaus“ verantwortet.
Kolat hatte ihre schwarzen Sicherheitsschuhe bereits geschnürt. Die Ausrüstung hat sie, seit sie einmal Zöllner begleitete bei Baustellenrazzien auf der Spur von Schwarzarbeitern. Alle anderen mussten in sommergelbe Gummistiefel mit hohem Schaft schlüpfen und mit orangefarbener Warnweste und weißem Helm im Pulk über die Spandauer Straße zum Fußweg, wo sich schnell eine Schneise in den Legionen von Touristen öffnete, die mit großen Augen den beiden Damen samt Entourage nachschauten.
Gute Stimmung (Nikutta: „Berlin ist die Stadt der Frauen!“) und gute Nachrichten hatten die Damen im Gepäck: Berlins Arbeitsstätten sind sicherer als im deutschen Durchschnitt. Zu 18,5 Unfällen kommt es in Berlin je 1000 Erwerbstätige, 24,9 sind es bundesweit. „Das ist ein gutes Ergebnis“, sagte Arbeitssenatorin Kolat. Zumal in Berlin viele Menschen in den besonders unfallgefährdeten Bauberufen (25000) beschäftigt sind und das Bauvolumen 30 Milliarden Euro beträgt.

Gefahr: Die Kompressionskammer der "Bärlinde"

Dass Kolat auf Nikuttas Baustelle die guten Zahlen verkündete, liegt laut Kolat auch daran, dass diese vom Landesamt für Arbeitsschutz geprüft und für vorbildlich erklärt wurde. Der wohltuenden Klimatisierung im Besprechungscontainer wegen, an der sich auch die Gäste erfreuten. Rigide Vorschriften hat die BVG aber auch bei der Wartung der „Bärlinde“, wie die gewaltige Fräse liebevoll genannt wird, die unterirdisch den Tunnel der U5 zum Brandenburger Tor gräbt. Die mächtigen Schneiden an deren Kopf müssen schon mal gewetzt werden. Das ist im Untergrund nicht so einfach: Damit Grundwasser und Erdreich die Arbeiter nicht unter sich begraben, schaffen die Ingenieure eine künstliche Kompressionskammer mit einem Druck von zwei Bar, so viel wie in einem Autoreifen. Als Maßnahme zum Arbeitsschutz dürfen dort nur Handwerker bis zum Alter von 50 arbeiten und auch die sind gesichert durch bereit stehende Kollegen.

Einer kletterte aus der Dachluke und stürzte ab

Kurzum, passiert ist auf der BVG-Baustelle nichts Meldenswertes. Anderswo wundert man sich schon mal über die tödliche Leichtfertigkeit mancher Bauleute. So kam ein Zimmermann zu Tode, weil er mit Werkzeug aus der Dachluke eines Schrägdaches auf ein benachbartes Gebäude klettern wollte, um sich den Weg über die Treppenhäuser und den Hof zu sparen.Ein anderer stürzte mitsamt rollbaren Gerüst aus einem Hochhaus, warum das Gerüst ins Rollen kam, untersucht die Staatsanwaltschaft. In einem weiteren Fall begruben Erd- und Schuttmassen einen Beschäftigten, der in einer 1,65 Meter tiefen Grube arbeitete.

„Auf Baustellen sind die Folgen eines Unfalls oft dramatisch, deshalb ist die Branche im Fokus“, sagt Robert Rath, Chef vom Landesamt für Arbeitsschutz. Ob das Baugewerbe auch in absoluten Zahlen das unfallgefährdetste ist, erfassen die Statistiken nicht. „Gefahr lauert bei allen Tätigkeiten, wo ein großer Output unter hohem Zeitdruck gefordert ist“, sagt Rath.Weil es schnell gehen soll, ist keine Zeit für Achtsamkeit: Man rutscht aus, kippt um, verhebt sich – Koch oder Kellner seien beispielsweise gefährdet oder auch die Pfleger bei Krankentransporten, nennt Rath als Beispiele. Übrigens, im sommerlichen Alltag muss der Arbeitgeber auch für „menschengerechte Arbeitsbedingungen“ sorgen. Schade nur, dass das Hitzefrei abgeschafft ist. Und wer Arbeitsschützer Rath um einen Tipp bittet, wie man dem Chef bei Temperaturen weit über 30 Grad den vorzeitigen Dienstschluss abtrotzen kann, wird enttäuscht: Auf den Einzelfall komme es an. Wenn es zu heiß ist in den oberen Stockwerken, könnten vorläufige Arbeitsplätze im Erdgeschoss Abhilfe leisten. Und Arbeitssenatorin Kolat, deren Leute in einem nicht klimatisierten Altbau schuften, spendierte jedem von ihnen einen Ventilator. Am besten aber ist, so Raths Rat, man stimmt sich mit dem Betriebsrat ab.

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