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Berlin: Statt des Bundeskanzlers kommt die Dschungelkönigin

Der Berliner Presseball galt lange Jahre als Glanzlicht der Stadt. Bei der Neuauflage im Ritz-Carlton-Hotel ging es um den Fortbestand

Mustafa, der ägyptische Schuhputzer im Ritz-Carlton, hatte seinen Stand aus Anlass des 106. Berliner Presseballs auf die Beletage verlegt. Aber es gab wenig zu wienern für ihn, die Gäste waren mit blitzsauberen Schuhen erschienen. Nebenan in der Beauty-Lounge hatten die jungen Friseure schon mehr zu tun. Einige Damen, die von der Möglichkeit gehört hatten, ließen sich dort zu Beginn des Balls vor der offiziellen Eröffnung rasch noch gratis eine trockene Ballfrisur föhnen. In der Brasserie hatten sich da die Ersten schon übers arabisch angehauchte Büfett hergemacht, während am Schmuckverkaufsstand davor Susanne Morad auf Kunden für ihre Ketten aus Indien und Ägypten wartete.

War’s das letzte Mal? Die Frage hatte schon im Vorjahr viele bewegt. Im alten West-Berlin war der Presseball das wichtigste gesellschaftliche Ereignis, mit Stadtkommandanten und allen Geldgewichtigen, die da sonst die Freiheit der Stadt verteidigten. Inzwischen haben sich Schatten über den Ball gelegt, nicht nur in Gestalt der stetig wachsenden Konkurrenz. Heftige Querelen innerhalb des Journalistenverbandes hatten sich an der Frage entzündet, ob die finanzielle Transparenz gewährleistet ist, ob der Ball überhaupt geeignet ist, Mittel für soziale Zwecke zu erwirtschaften, oder nur Defizite schafft. Darüber spaltete sich der Verband.

So mancher Ehrengast kam am Ende nur aus Neugier. Die Verblüffung war groß, trotz allem noch etliche andere zu treffen: Walter Scheel und Frau Barbara, den Ex-Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen und Frau Monika, Moderator Wolfgang Lippert, Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm, Wirtschaftssenator Harald Wolf, die Schauspieler Jochen Senf, Anouschka Renzi und „Dschungelkönigin“ Desiré Nick, außerdem Filmproduzent Atze Brauner, der fließend auf Polnisch parlierte. Kein Vergleich freilich mit dem Presseball vor 15 Jahren, bei dem unter 4000 Gästen im ICC Bundeskanzler, Bundespräsident und der NATO-Generalsekretär plauderten. Noch vor vier Jahren tanzten immerhin Bundeskanzler Gerhard Schröder und der polnische Staatspräsident Aleksander Kwasniewski mit ihren Frauen auf dem Berliner Tanzvergnügen.

Diesmal war es ein luftiger Ball ohne jegliches Gedränge. Inklusive der Ehrengäste waren etwa 1200 Gäste gekommen, 1500 waren erst annonciert gewesen. Auch der Regierende Bürgermeister fehlte zum zweiten Mal. Abgeordnetenhauspräsident Walter Momper wollte das in seiner sehr souveränen Ansprache als beruhigendes Zeichen verstanden sehen: „Wenn ein Teil der Politik arbeitet, können wir hier richtig feiern.“ Bevor er mit Susanne Kulpok, der Frau des Berliner Journalistenverbands-Vorsitzenden, den Ball eröffnete, sprach er noch eine positive Folge der Flutwelle in Asien an, die das Bewusstsein einer weltweiten Solidarität erheblich gestärkt habe.

Gerade wegen der zahlreichen Schatten hatten die Macher sich angestrengt. Hoch engagiert waren vor allem die ägyptischen Partner unter der Führung des Botschafters Mohamed Al-Orabi: „Ägypten liegt Ihnen zu Füßen“, warb er mit Charme und Eindringlichkeit um neue Touristen. Sponsoren wie Air Berlin halfen, indem sie für die Tombola verlockend klingende Reisen ins Land der Pharaonen zur Verfügung gestellt hatten.

Als die etwas langatmige Verlosung inklusive der Tango-Einlage eines sehr berlinisch lispelnden Pärchens gegen halb zwei endlich zu Ende war, gab es fast nur noch leicht schwankende Gestalten auf der großen Freitreppe zu sehen. Da war doch schon reichlich Schloss-Wachenheim-Sekt geflossen, also ging’s zurück an die Büfetts mit ägyptischen Buletten und Feigen-Desserts und in das Café, in dem ein Wasserpfeifen-Laden für seine Produkte warb. „Der Ball gehört zu Berlin“, sagte die langjährige Sponsorin Nicole Urbschat fast trotzig.

Wieviel Geld für den Benefizzweck erbracht wurde, das wird der Verband gewiss bald bekannt geben. Viele, die Eintrittspreise von 125 bis 550 Euro bezahlt hatten, wollten sich einfach amüsieren und von Querelen nichts wissen. Sie tanzten, als wär’s das letzte Mal. Oder auch: Als könnte es immer so weitergehen.

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