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Berlin: Stau schau wem (Glosse)

Lärm. Ärger.

Von Caroline Fetscher

Lärm. Ärger. Stau. Das ist die Triade der Lamentos über Berlins Baustellen. Selbst die Touristen, die extra wegen der Baustellen herkommen, aus Itzehoe und aus dem Allgäu, aus Tokio und Toronto, selbst diese Zeitgenossen klagen: Lärm! Ärger! Stau!

Nur einer sieht das anders: Der Berliner Taxifahrer. Als Informanten ohnehin zählebige Lieblingssujets von Journalisten, bieten Taxifahrer nun auch Glossenstoff. Das ist umso schöner, als, typisch für Zeitungen, die verabredete Glosse ins Wasser fiel. Eine Pressekonferenz mit Außenminister, Verteidigungsminister und allem drum und dran sollte es geben. Gab es auch. Doch da saßen schon scharenweise Kollegen anderer Ressorts unseres Blattes und blickten misstrauisch im Saal umher. Keine Sorge, Jungs, hier sind nur paar Zeilen über dieses Kinn.

Scharpings Gesicht ist weich, manche nennen es naiv. Man kann aber auch finden, es sei sympathisch unmilitärisch. Wie auch immer, widersprüchlich ist die Kinnpartie. Sitzt man dem lebenden Menschen gegenüber, versteht man, warum: Der Mann scheint sein Kinn ständig mit Absicht vorzuschieben, womöglich um kantiger zu wirken. Militärischer. Daraus wird natürlich nichts, und so entsteht der seltsame Rund-Nichtrund-Eindruck.

Jetzt aber wieder zu den Taxifahrern. Denen geht es prächtig mit all dem Lärm, Ärger, Stau. Besonders in der Mitte der Stadt. Nicht nur, dass der Ertrag einer Durchschnitts-Taxifahrt beim weiträumigen Umfahren von Bauburgen und beim Stecken im Stau (ein Kapitel Tolstoi ist allemal drin) von acht auf achtundreißig Mark anschwillt. Nein. Die Zunft wird, angespornt durch diese glücklichen Umstände, jetzt sportlicher denn je. Droht die Ampel da vorne noch beim Erreichen grün zu sein, bremst der Fahrer sacht ab, unmerklich, wie ein Pianist das Pedal bedient. Rot! Geschafft. Der Wagen steht. Das Taxometer klickert fröhlich weiter. Beim Weiterfahren möglichst hinter einem Lastwagen und drei Touristenbussen einfädeln. Schneckentempo. Ja, Zeit ist Geld. Man frage nicht, ob der Taxifahrer die praktische Querstraße links nehmen kann. Unmöglich! Baustelle! entfährt es ihm mit kaum verhohlenem Triumph. Oder vielleicht einfach über die Brücke? Sind Sie am Steuer, oder ich? Was denken Sie sich? Da ist doch Stau! Dann schauspielert er Entsetzen über die Vielzahl neuer Einbahnstraßen und Absperrungen, Staatsbesucher, Umleitungen: Staus! Staus! Wo man hinschaut, Stau! Glauben Sie mir, er genießt es.

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