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Berlin: Staubsauger auf Schienen

Ein Spezialfahrzeug der S-Bahn entfernt vor allem Kippen von den Gleisen

Er schluckt – fast – alles: Münzen, Murmeln, manchmal Mäuse. Aber auch Flaschen sowie Dosen. Und im Herbst Laub. Aber vor allem Kippen. Die mag er ganz besonders. Eckhard Krüger bläst sie im direkt vor sein Maul. Nacht für Nacht. Krüger trägt einen Mundschutz, denn der aufgewirbelte Staub ist beträchtlich. Auf Ohrenschützer verzichtet er. Schlecht wären aber auch diese nicht, denn der Riesenstaubsauger der S-Bahn macht einen Höllenlärm im Bahnhof. Doch die zulässigen Grenzwerte würden nicht überschritten, versichert Marcus Marotzke, der Teamleiter. Er ist kaum zu verstehen.

Vor fünf Jahren hat die Gleisbaufirma Wiebe zusammen mit der S-Bahn den einzigartigen Staubsauger auf die Schienen gestellt; eingebaut in zwei alten S-Bahn–Wagen. Rund eine Million Euro haben allein die technischen Geräte an Bord gekostet.

Seither ist die „Universalreinigungsmaschine für Gleisoberflächen“ sonntags bis freitags jeweils nach Schluss des Fahrbetriebes unterwegs, um den Dreck auf den Gleisen zu beseitigen. Sechs bis acht Bahnsteige schafft das Monstrum jede Nacht. 164 Bahnhöfe gibt es. Pro Nacht kostet dies die S-Bahn 3000 bis 4000 Euro.

Maximal 18 Minuten haben die Maschinisten pro Bahnsteiggleis Zeit. Der fahrende Staubsauger schleicht mit 0,7 bis maximal 3 km/h durch den Bahnhof. Gefühl ist dabei angesagt. Am Anfang dauerte es einige Zeit, bis die richtige Saugkraft ermittelt war, sagt Marotzke. Der Staubsauger soll alles aufnehmen, was nicht aufs Gleis gehört, die Schottersteine dabei aber liegen lassen.

Ein Mann läuft beim Reinigen an der Spitze des Zuges auf dem Bahnsteig mit. Eckhard Krüger bläst mit einem Rohr, das er hin und her dreht, den Schmutz von der Bahnsteigseite in die Mitte des Gleises, damit er dort von dem größten der drei Saugrohre erfasst werden kann. Mit weiteren Blasrohren wird der festgesetzte Schmutz auch an anderen Stellen gelockert. Noch besser wäre es, wenn Wasser eingesetzt werden könnte, sagt Teamleiter Marotzke. Doch das lasse die Stromschiene nicht zu. Der Staubsauger fährt – wie die richtige S-Bahn – elektrisch. Der Gleisbauspezialist Wiebe denkt aber bereits an ein neues Fahrzeug, das dann einen Dieselantrieb erhalten soll. So könnte es auch direkt unter der Stromschiene saugen, wo die Saubermänner der Schiene jetzt noch passen müssen.

Die Arbeit wird ihnen so schnell nicht ausgehen. Ein Rauchverbot gibt es bei der S-Bahn nur in den wenigen Tunnelbahnhöfen. Auch Krüger, der die Kippen mühsam aufgewirbelt hat, greift in der Pause zur Zigarette. Eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in eigener Sache? Nein, er wirft die Kippe nach dem Genuss in den Aschenbecher. Mit dem Dreck der fremden Leute hat er genug zu tun. Klaus Kurpjuweit

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