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Berlin: Steglitz: 1000 Mark für ein Ameisenvolk

Ameisen sind in der Regel ungeliebte Untermieter. Bei Martin Sebesta ist das anders, er hat sie sich sogar extra ins Haus geholt.

Ameisen sind in der Regel ungeliebte Untermieter. Bei Martin Sebesta ist das anders, er hat sie sich sogar extra ins Haus geholt. So begeistert ist er von den Krabbeltieren, dass er sich seit einem Jahr professionell mit ihnen beschäftigt. "Ich besitze den weltweit ersten Antstore", erzählt er stolz. Zwar verkauft er seine Ameisen nicht ganz sinngemäß in einem Laden, sondern in seiner Wohnung in Steglitz. Aber die meisten Kunden ordern sowieso über Internet und lassen sich die Viecher schicken.

Schätzungsweise 8000 Ameisenarten gibt es weltweit, der 20-jährige Sebesta kennt selber nur einen Bruchteil und vertreibt momentan vor allem Blasius Niger, die bei uns am häufigsten vertretene Ameisensorte, sowie Blattschneideameisen. Die leben bei ihm in einem kleinen Terrarium auf dem Schreibtisch. Wenn Sebesta am Computer sitzt, kann er gleichzeitig beobachten, wie die Tierchen durch eine Plastikröhre hin und her marschieren und sich ihr Futter in Form von Brombeerblättern am Ende der Röhre zerlegen und in ihr Nest transportieren.

Sowas hat er zum ersten Mal in Amsterdam in einem Tierpark gesehen. Danach schickte ihm ein Diplom-Biologe das erste Volk. 65 Ameisenkolonien hat er in diesem Jahr verkauft, im letzten Jahr waren es hundert. Je nach Größe können die Kolonien zwischen 69 und 1000 Mark kosten. "Meistens sind das Männer und Kinder, die sich dafür interessieren". Aber auch Werbeagenturen würden als Deko für Messestände lebende Ameisenvölker bestellen.

Obwohl in der Natur millionenfach vorhanden, ist das Einfangen eines Staates gar nicht so einfach. "Ausbuddeln geht nicht", weiß Sebesta. Am wichtigsten sei die Königin, und die ist gut versteckt. "Entweder man wartet, bis die Königin fliegt und fängt sie ein oder man stülpt einen Tontopf über das Nest". Innerhalb kurzer Zeit würde die Königin dann aus der Erde krabbeln und samt Untertanen in den Topf umziehen. Ein Terrarium reicht für das Leben in Gefangenschaft.

Um die steigende Nachfrage nach diesen ungewöhnlichen Haustieren weiter zu decken, unterhält Sebesta Kontakt zu Händlern in Lateinamerika und Asien. "Bis jetzt ist noch kein Volk beim Transport ums Leben gekommen", versichert Sebesta. Im Gegenteil: Die Reagenzgläser, in denen die Königin mit einigen Untertanen auf Reisen gingen, würden den Tierchen so behagen, dass sie oft gar nicht mehr ausziehen wollten. "Die holen sich ihr Futter im Terrarium und schleppen es in das Röhrchen."

Ein pfiffiger Kunde erspare sich das Füttern, indem er Plastikröhren durch den Fensterrahmen in den Garten gelegt hat. "Die gehen in den Garten und transportieren ihr Futter ins Terrarium." Fragt sich nur, ob die Blattschneidameisen nicht doch lieber in Nachbars Garten wohnen und dort Grün zerhäckseln. Sebesta winkt ab: "Von einem Brombeerstrauch können die über drei Wochen leben".

Ob ihm schon einmal eine Ameise ausgebüxt ist, kann er nicht sagen. Anlass haben sie nicht dazu. Wo kommt es schließlich vor, dass täglich ein Cocktail aus Eigelb, Honig und Mineralien vorgesetzt wird?

Christine Berger

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