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Steglitz: Umstrittener Lehrer darf wieder unterrichten

Eltern verdächtigten Pädagogen, Rechtsextremist zu sein und den Nationalsozialismus zu verharmlosen. Gericht wies Vorwurf zurück

Der umstrittene Steglitzer Geschichtslehrer Karl-Heinz Sch. darf nach fast sechseinhalb Jahren Suspendierung wieder unterrichten. Dies entschied gestern das Berliner Oberverwaltungsgericht und folgte damit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Das Urteil bedeutet eine Schlappe für die Bildungsverwaltung, die den Beamten vollständig aus dem Dienst entfernen wollte. Unter dem Eindruck des Urteils forderte die FDP-Bildungspolitikerin Mieke Senftleben, das Beamtenrecht zu ändern. Es müsse erleichtert werden, Beamte zu entlassen.

Das Urteil ist sofort rechtskräftig. Deshalb sei der Beamte bereits zu einem Gespräch bei der Schulaufsicht gebeten worden, „um Fragen seines Einsatzes zu besprechen“, sagte der Sprecher des Bildungssenators, Kenneth Frisse. Auf keinen Fall werde er wieder im Gymnasium Steglitz anfangen, stellte Direktor Thoams Gey klar. Er habe keinen Bedarf, auch sei das Vertrauensverhältnis gestört. Wie auch Senftleben bedauert es Gey, dass es kaum möglich ist, ungeeignete Lehrer einer anderen Tätigkeit zuzuführen.

Sch., damals 51 Jahre alt, war im Jahr 2000 von einer Elterninitiative des Gymnasiums Steglitz vorgeworfen worden, er verharmlose Naziverbrechen. Der damalige Bildungssenator Klaus Böger (SPD) suspendierte den Mann, allerdings brachten endlose Zeugenvernehmungen keine brauchbaren Ergebnisse. Das Verfahren sei von der Schulbehörde schlecht geführt worden, kritisiert die Elterninitiative bis heute. Um die Suspendierung zu beenden, sorgte Sch. schließlich selbst dafür, dass die Sache vor das Verwaltungsgericht kam. Es entschied am 15. Juni 2005, dass die Vorwürfe gegen Sch. nicht ausreichten und auch schon zu lange zurücklägen. Allerdings verhängte es eine einjährige Gehaltskürzung: Die Disziplinarkammer sah es als erwiesen an, dass der Lehrer im Geschichtsunterricht „leichtfertig den Verdacht erweckte, ein Rechtsextremist zu sein“. Dadurch habe er dem Ansehen der Lehrerschaft schweren Schaden zugefügt sowie den Bildungsauftrag verletzt. Zwar bescheinigte das Gericht dem Lehrer, kein Rechtsextremist zu sein. Er habe jedoch den Eindruck hinterlassen, er relativiere die Nazi-Verbrechen. Eine Entfernung des Beamten aus dem Dienst lehnte es ab. Weder habe der Beamte sich der Volksverhetzung schuldig gemacht noch der Verletzung der beamtenrechtlichen Treuepflicht.

Dass das Verfahren so ausgehen würde, war lange Zeit nicht zu erwarten. Denn Sch. wurde icht nur vorgeworfen, als Lehrer Nazi-Verbrechen zu verharmlosen. Anstößige Passagen gab es auch in seinem Buch zur Wehrmachtsausstellung. Dieses Buch fand bei Rechtsextremen derartigen Anklang, dass sie den Studienrat im Jahr 2003 zu einem Vortrag nach Peenemünde einluden. Die Veranstalter der Lesung kamen, so die Anklamer Polizei damals, „eindeutig aus der rechten Szene und aus dem Dunstkreis bekannter Neonaziführer“. Der Fall Sch. war einer der insgesamt rund 980 Altfälle, die das OVG bis Ende 2007 abarbeiten will; davon sind zehn mehr als vier Jahre alt. Wo Sch. jetzt eingesetzt wird, ist noch nicht klar.

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