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Berlin: Steinerne Reserve

Die Berliner Immobilien aus dem Skandalfonds sind bisher noch relativ preisgünstig vermietet

Es ist eine schöne Wohngegend. Die Häuser entlang des Märkischen Ufers sehen aus wie gemalt. Von dem kleinen Café an der Ecke hat man einen guten Blick auf die alten Kutter, die in der Spree sanft auf und ab schaukeln. Aber dann – auf 20 Stockwerke in Beton gegossene Tristesse. Das ist der Teil der Fischerinsel im historischen Zentrum Berlins, der zu 90 Prozent dem Land Berlin gehört. Genauer gesagt: Die Hochhäuser mit fast 1287 Wohnungen sind Teil eines Immobilienfonds der früheren Bankgesellschaft Berlin, der inzwischen nicht mehr privaten Anlegern gehört, sondern fast vollständig in öffentlicher Hand ist.

Die Bauten auf der Fischerinsel sind nur eine von über 80 großen und kleinen Berliner Wohnanlagen, die in jenen hoch verschuldeten Fonds stecken, die den Berliner Bankenskandal auslösten und für deren finanzielle Risiken das Land bürgen muss. Verwaltet wird das Grundvermögen von der Berliner Immobilien Holding (BIH). Für 1,8 Milliarden Euro hat der Senat in den vergangenen Jahren die Fondsanteile großenteils zurückgekauft. Gern hätte man die BIH komplett verkauft. Aber daraus wurde nichts.

Im Erdgeschoss der riesigen Mietshäuser auf der Fischerinsel sitzt jeweils ein Pförtner. Größtenteils alte Menschen leben dort, erzählt einer. Gesprächsthema sei die geplante und nun gescheiterte Privatisierung nicht. Die meisten Bewohner wissen nicht einmal, dass ihr Zuhause den staatlich garantierten Fondsgesellschaften gehört. Sie wissen auch nicht, dass die meisten der insgesamt 20 000 Berliner Wohnungen und Appartements in diesen Fonds überschuldet sind und nach 2012 den Landeshaushalt mit möglicherweise 150 Millionen Euro jährlich belasten werden. Und sie wissen nicht, dass der Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) ein gutes Jahr mit britischen Investoren verhandelte, um die BIH zu verkaufen. Doch die „irrationalen Ängste“, vor denen Nußbaum kürzlich warnte, sind bei vielen Bewohnern sehr real.

Auch in der nahe gelegenen Bäckerei „Coffee and Cake“ macht sich Besorgnis breit. Dreimal kontrolliert einer der Kunden die Adressliste der Häuser, die von einem Verkauf betroffen wären. Seine Hausnummer ist auch dabei. „Na, toll“, sagt er. „Dann wird’s teuer.“ Dabei zahle er schon genug. „600 Euro für 78 Quadratmeter“, rechnet er vor. Sein Mietvertrag ist 16 Jahre alt. Wie er wohnen viele seit Jahrzehnten in der Wohnanlage. Heinz, ein Mann in den Endsiebzigern und Stammkunde des kleinen Cafés, berichtet, er habe schon in der Hausnummer 5 gewohnt, als die 6 noch gebaut wurde. Der Betreiber des Cafés schüttelt traurig den Kopf. „Jetzt werden die alten in die Randbezirke gedrängt“, schimpft er. Vorerst können die Bewohner aufatmen, ihre Häuser bleiben unter kommunaler Kontrolle.

Der Schatten der Berliner Immobilien- Holding ist lang und reicht bis in die entlegensten Winkel Berlins. Mehr als 1000 Wohnungen in Spandau gehören zu den Risikofonds. Mehr als 2000 sind es allein in Hellersdorf. Auch hier, rund um den Teterower Ring, hat sich das Land Berlin nicht gerade die Filetstücke des hauptstädtischen Immobilienmarktes gesichert. Doch die Hellersdorfer lieben ihre Wohngegend. Bei der hitzigen Diskussion in der „Klabauterklause“ wird aus der Schnellstraße, die in unmittelbarer Nähe vorbeiführt, dann auch rasch eine „gute Verkehrsanbindung“. Die grauen Plattenbauten sind aus Sicht der Anwohner „teilsanierter, billiger Wohnraum“ und die Wiesen, die zwischen dem Gemisch aus verschiedenen Grautönen den einzigen Farbtupfer darstellen, eine „grüne Idylle“. Es wäre eine Hiobsbotschaft gewesen, wenn das Land Berlin dies alles verkauft hätte, bemerkt ein Gast in der Kiezkneipe.

Die Klabauterklause hat bessere Tage gesehen. Seit 1982 steht sie an der Ecke des Wohnblocks. Die Wirtin erinnert sich an die DDR-Zeiten, als junge Familien mit Kindern das Viertel bevölkerten, als es noch viele Cafés und Restaurants gab. „Vielleicht, wenn mal jemand was investierte...?“, überlegt sie. „Eben“, pflichtet ihr ein Gast bei, der privaten Investoren offenbar mehr zutraut als der öffentlichen Hand. „Sollen die Heuschrecken ruhig kommen.“ Wenn die Mieten dann erhöht würden, ziehe er einfach zwei Häuser weiter: „Die haben jede Menge Leerstand.“ Die Heuschrecken kommen nicht. Jedenfalls nicht so bald. Sidney Gennies

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