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Geschichte wird gemacht. Vieles erinnert noch an die Vergangenheit. Die Anlage wird in vielen kleinen Schritten restauriert, Gewölbe und Natur wollen gepflegt werden. Sogar Brad Pitt war ganz begeistert, als er den Film „Inglourious Basterds“ im Spandauer Westen drehte. Screenshot: promo

© Georg Moritz

Berlin: Stets auf dem Posten

Im Fort Hahneberg drehte schon Hollywood-Star Brad Pitt, im Alltag haben dort andere Männer das Sagen: die Schutzgemeinschaft.

Preußisch Blau, was sonst. Eine exponierte Infanteriestellung bedarf nicht gerade vieler Verzierungen, aber die schmalen Farbstreifen zur Akzentuierung der Gratbögen in den Gewölben der „Kehlgrabenwehr“ hatten sich die Baumeister von Fort Hahneberg nicht nehmen lassen.

Jahrzehntelang, seit man den aus dem Festungswall herausragenden Unterstand um 1935 zum Offizierskasino umgewandelt hatte, war das Ziegelwerk samt seiner kargen Dekoration unter einer Putzschicht verborgen gewesen. Das Staakener Fort hatte seine militärische Funktion ja schon kurz nach der Indienststellung 1888 durch eine verbesserte Artillerietechnik verloren, da brauchte man auch solch einen Vorposten nicht mehr, weitete die Schießscharten zu großen Fenstern und versah das nackte Gemäuer mit einer gefälligen Putzschicht.

Aber jetzt sind die Mauersteine und die blauen Streifen wieder da, und die Kehlgrabenwehr präsentiert sich im Originalzustand, nur ohne Schießscharten. „Unser schönstes Kleinod“, freut sich Siegfried Wittkopp, Vorsitzender des Vereins ASG Fort Hahneberg, der sich seit seiner Gründung 1993 um die im ehemaligen Grenzsperrgebiet gelegene, damals halb vergessene Festung kümmert.

ASG – das bedeutet Arbeits- und Schutz-Gemeinschaft. Der „Schutz“ gilt der Natur, die sich im Bereich der Anlage ungehindert austoben kann. Mehr als 250 Pflanzenarten haben sich dort versammelt, und jahrein, jahraus wählen sich mehr als 1000 Fledermäuse das ramponierte Fort zum Quartier, das ihnen mit seinen vielen Ritzen, Scharten, Löchern wie ein Paradies vorkommen muss. Die „Arbeit“ aber wird in die Pflege und Sanierung des rund 125 Jahre alten Gemäuers gesteckt, zuletzt in die Kehlgrabenwehr, deren Gewölben in sechswöchigem Hämmern, Pickeln, Bürsten der schon bröckelige Putz genommen wurde – für den nur 35 Mitglieder zählenden Verein eine kleine Herausforderung.

Allerdings war die Plackerei nicht dem Verlangen nach bauhistorischer Originalität geschuldet, sondern den Anforderungen des Spandauer Bezirksamts. In der ersten Zeit, nachdem das seit 1991 als Baudenkmal geschützte Fort vom Bundes- ins Bezirksvermögen übertragen worden war, lag die Zuständigkeit beim Kunstamt, da war die Bausicherheit noch nicht das große Thema. Vor zwei, drei Jahren aber wurde die Baubehörde zuständig, und vieles, was zuvor noch möglich war, ging nun eben nicht mehr.

Nach jahrzehntelanger Vernachlässigung sitzt in solch einem Gemäuer schon mal der eine oder andere Stein locker und könnte Besuchern auf den Kopf fallen. Daher wurden die Außenmauern großräumig eingezäunt, dazu Innenräume für die vom Verein angebotenen Besichtigungstouren geschlossen, so auch die Kehlgrabenwehr wegen ihres maroden, mittlerweile entfernten Putzes.

Der schlechte Zustand der 350 Meter breiten und 250 Meter tiefen Anlage mit ihrer 1,2 Kilometer langen Außenmauer ist keine Folge des Krieges. Gekämpft wurde hier nie. Mit der Erfindung sogenannter Brisanzgeschosse gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren solche Ziegelbauten sinnlos, das Fort wurde Kaserne, Ausbildungsstätte für Infanteristen, im Zweiten Weltkrieg auch Lazarett. Einige Markierungen an den Wänden („Zur Stabsbaracke Btl. Geschäftszimmer“) zeugen noch von dieser Zeit. Nach Kriegsende wurden Teile gesprengt und als Baustoffquelle genutzt, schließlich gab es dort 28 Millionen Ziegel zu holen. Nach dem Mauerbau lag das Fort im Sperrgebiet, und nur die in der Nähe untergebrachten DDR-Grenzer trieben sich dort gelegentlich herum, wie einige eingeritzte Graffiti zeigen, so auch die eines gewissen Friedrich, der sich am 23.6.1972 als „EK“, als Entlassungskandidat verewigte.

Nach der Wende herrschten im Fort anarchische Zustände, jeder konnte dort rein, es gab Schäden durch Vandalismus und Souvenirjäger. Als Erstes ließ Spandau das Areal einzäunen, die Gemeinde Staaken half mit alten Grenzzäunen aus, sie wurden ja nicht mehr gebraucht, und der Fuhrunternehmer Peter Herzog baute sie auf. So kam er in Kontakt zum Fort und dann zu dem neuen Verein, der das Fort im Auftrag des Bezirks durch Nutzung und Pflege sichern sollte und dessen Ehrenvorsitzender er heute ist.

Zunächst musste aufgeräumt werden. Bis zu 4000 Schubkarren Müll und Geröll habe man herausgeholt, erinnern sich Wittkopp und Herzog. Auch militärisches Gerät tauchte auf, verrostete Gewehre, Panzerfäuste, ein Bettgestell, an scharfer Munition aber nur ein paar Patronen. Die wurden entsorgt, die anderen Funde lagern in einer alten Pulverkammer. Später erhielt das Fort als Nachbau sein Eingangstor zurück, ebenso die stählerne Klappbrücke, über die allein das Innere der Festung zu erreichen war. Man forscht nach der Geschichte, verfügt nun über die alten Bauunterlagen und sogar den Wehrpass eines einst in Hahneberg stationierten, nun in Australien lebenden ehemaligen Wehrmachtssoldaten. Aber die personellen und finanziellen Möglichkeiten bleiben begrenzt, und so sucht der Verein – ein Mitglied, Sohn des ehemaligen Hausmeisters, wurde sogar im Fort geboren – verstärkt nach historisch Interessierten und vor allem Sponsoren.

Um einen ersten Eindruck vom Fort zu bekommen, könnten potenzielle Kandidaten auch in die nächste Videothek gehen. 2001 entstanden dort Szenen einer neuen Verfilmung von „Emil und die Detektive“, für die TV-Serie „Großstadt-Cowboys“ wurde dort gedreht, und 2008 kam sogar Quentin Tarantino für „Inglourious Basterds“, der noch bei der Berliner Premiere am 28. Juli 2009 von diesem Drehort schwärmte: „Das war cool – dieser tiefe wilde Graben dort. Es sah aus wie im Krieg.“

Ehrenvorsitzender Peter Herzog erinnert sich noch genau, wie der Regisseur das Fort übernahm. Ein Babelsberger Vorauskommando hatte das Gelände erkundet, dann rollte eines Tages ein Bus vor den Eingang mit dem Schriftzug „Fort Hahneberg“ und darüber dem Reichsadler. Tarantino stieg aus, blickte sich um – und feuerte erst einmal mit einem imaginären Maschinengewehr eine Salve in die Runde. Der Regisseur, ein Inglourious Basterd.

Führungen durch Fort Hahneberg gibt es samstags, sonntags und an gesetzlichen Feiertagen um 14 Uhr und 16 Uhr sowie nach Vereinbarung. (Erwachsene 5 Euro, Kinder 1 Euro). Informationen unter der Telefonnummer 366 46 05 oder im Netz unter www.forthahneberg.de

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