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Wegen der Steuer-Affäre um André Schmitz stärkt SPD-Chef Sigmar Gabriel (r) Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit den Rücken.

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Steueraffäre André Schmitz: Rückendeckung für Wowereit

Zwar gab die Staatsanwaltschaft mittlerweile zu, den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit nicht offiziell über die Steuerermittlungen gegen André Schmitz informiert zu haben. Bescheid wusste Wowereit vermutlich dennoch. Mittlerweile bekommt der aber Unterstützung von ganz oben.

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Die Steueraffäre um den zurückgetretenen Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) wirft neue Fragen auf. Die Staatsanwaltschaft gab zu, den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) in seiner Eigenschaft als Dienstherr 2012 nicht auf offiziellem Weg über die Ermittlungen gegen Schmitz informiert zu haben. Die Behörde habe dabei von ihrem „Entscheidungsspielraum“ Gebrauch gemacht, den das Gesetz bei eingestellten Verfahren gewähre. Die Gründe für diese Einzelfallentscheidung unterlägen dem Steuergeheimnis.

Die Senatsverwaltung für Justiz will prüfen, ob das Verhalten der Staatsanwaltschaft rechtmäßig war. Unklar ist, warum Wowereit, den Schmitz nach eigenen Angaben 2012 über die Ermittlungen informiert hatte, kein Disziplinarverfahren einleitete. In Senatskreisen wurde darauf hingewiesen, dass bei Beamten schon bei einem Anfangsverdacht auf eine Straftat dienstrechtliche Konsequenzen geprüft werden müssen. Das Verfahren gegen Schmitz wurde 2012 gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Wowereit beließ seinen Staatssekretär im Amt.

Bundesschatzmeister der CDU kündigt Rückzug an

Der Bundesschatzmeister der CDU, Helmut Linssen, kündigte derweil seinen Rückzug an. „Ich habe mich im Interesse der Partei und meiner Familie entschlossen, die Parteivorsitzende zu bitten, auf dem kommenden Parteitag im April einen neuen Schatzmeister zu wählen“, sagte der 71-Jährige der „Bild“-Zeitung. Der ehemalige nordrhein-westfälische Finanzminister, der seit 2010 Schatzmeister der CDU ist, war nach Berichten über Geld in Steueroasen in Erklärungsnot geraten. Die CDU-Führung nahm seinen Rückzug mit Respekt zur Kenntnis. Zuvor hatten Generalsekretär Peter Tauber und Parteichefin Angela Merkel „intensive“ Gespräche mit Linssen geführt, wie aus Parteikreisen verlautete.

Bei einem Fall wie André Schmitz in Berlin ist die Staatsanwaltschaft normalerweise verpflichtet, bei Beamten den Dienstherrn über ihre Ermittlungsverfahren zu benachrichtigen. Es gebe aber einen Entscheidungsspielraum, wenn das Verfahren eingestellt worden sei. Dies war bei Schmitz gegen die Zahlung einer Geldbuße von 5000 Euro der Fall.

Offenbar hat die Affäre Schmitz auch zu Verstimmungen zwischen der Justiz- und der Finanzverwaltung geführt. Denn noch am Nachmittag hatte die Finanzverwaltung auf die Mitteilungspflicht nach dem Beamtenstatus- und dem Bundesbeamtengesetz verwiesen.

Demnach hätte Wowereit vor eineinhalb Jahren eine offizielle Akte zum Steuervergehen seines Staatssekretärs auf dem Tisch haben müssen. Die Justizverwaltung als übergeordnete Behörde will jetzt noch einmal die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, den Dienstherrn nicht zu informieren, überprüfen. Neben Wowereit, der von Schmitz selbst über die Ermittlungen informiert worden war, wussten auch Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) und Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für die SPD) bereits damals von dem Verfahren. Diese waren aber zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Hätte Wowereit ein dienstrechtliches Verfahren einleiten müssen?

Aus Senatskreisen ist zu hören, dass Wowereit als Dienstherr allein schon wegen des ihm bekannten „Anfangsverdachts einer Straftat“ ein dienstrechtliches Verfahren hätte einleiten müssen. Eine Vorverurteilung sei damit keineswegs verbunden, es stelle aber sicher, dass der Einfluss des Vergehens auf das Dienstverhältnis durch ein unabhängiges Gremium geprüft werde.

Nach verschiedenen beamtenrechtlichen Gesetzen kann auch ein außerdienstliches Vergehen dienstrechtliche Konsequenzen haben. Dies ist der Fall, wenn das Fehlverhalten „nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen“, wie es im Landesbeamtengesetz heißt. Und im Disziplinarrecht heißt es, dass schon bei einem Anfangsverdacht „von Amts wegen“ gehandelt werden muss.

Die Senatskanzlei beurteilt die Frage, ob Wowereit ein Disziplinarverfahren hätte einleiten müssen, dennoch anders. Laut Senatssprecher Richard Meng hätte dies nur geschehen müssen, wenn die Staatsanwaltschaft eine Straftatfeststellung getroffen hätte. Die Justiz hatte aber das Verfahren eingestellt. Eine Sondersitzung des Rechtsausschusses soll sich nach einem gemeinsamen Antrag der drei Oppositionsfraktionen im Abgeordnetenhaus am kommenden Montag mit der Steueraffäre befassen.

Schmitz will offenbar Altersversorgung sichern

„Wieder einmal hofft Wowereit einen Skandal aussitzen zu können“, heißt es in einer Erklärung von Grünen, Linksfraktion und Piraten. Zu der Sitzung am Montag soll auch Wowereit geladen werden. Auch Innensenator Frank Henkel (CDU) und die Mitglieder des Innenausschusses sollen erscheinen. Der Kulturausschuss wird sich ebenfalls mit dem Thema befassen. Wowereit befindet sich derzeit weiterhin im Urlaub. Erst am Sonntag will er wieder offizielle Termine wahrnehmen. Der Berliner SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß sagte am Donnerstag kurzfristig seine Teilnahme an der ARD-Talkshow „Beckmann“ ab, die am Abend die jüngsten Fälle von prominenten Steuerhinterziehern zum Thema haben sollte.

SPD-Chef Gabriel gibt Rückendeckung

Rückendeckung erhält Bürgermeister Wowereit dennoch aus den eigenen Reihen. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte Spiegel Online, aus dem Fall Schmitz einen Fall Wowereit zu konstruieren sei absurd.
Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, wie Schmitz aus dem Amt scheiden wird und welche Übergangsgelder und Ruhestandsbezüge er anschließend erhalten wird. In seinem Schreiben an Wowereit bat er nämlich nicht darum, aus dem Amt entlassen zu werden. Er wählte die Formulierung, von seinen Aufgaben entbunden werden zu wollen. Wie Senatssprecher Meng sagte, wird in der Senatskanzlei noch geprüft, welcher Unterschied aus dieser Wortwahl folgt. Bei der Bitte um Entlassung würden auf jeden Fall die Übergangsgelder wegfallen, die im Falle des ehemaligen Kulturstaatssekretärs drei Jahre lang gezahlt werden müssten und bei rund 70 Prozent der bisherigen Bezüge lägen.
Allerdings hat Schmitz dem Vernehmen nach schon bekannt gegeben, dass er ein Übergangsgeld – sollte es ihm zustehen – spenden werde. So liegt nahe, dass er mit seiner Formulierung auf jeden Fall die durch die langjährige Tätigkeit im Senat erworbenen Ansprüche auf Altersversorgung sichern wollte. Schmitz war seit Juni 2001 Staatssekretär in der Senatskanzlei, erst als Chef der Senatskanzlei, seit November 2006 dann als Kulturstaatssekretär. Sollte Schmitz in den Ruhestand versetzt werden, muss dies formal vom Senat beschlossen werden. (mit dpa)

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