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Berlin: Steuern statt Konsum? Müntefering ärgert Berliner Genossen

Sozialdemokraten gegen Vorstoß des Fraktionschefs Kaufleute sind empört über „Staatssozialismus“

Zwischen Berlins Sozialdemokraten und der Bundes-SPD gibt es Streit um die richtige Steuer- und Wirtschaftspolitik. Michael Müller, Vorsitzender der SPD- Fraktion im Abgeordnetenhaus, widerspricht Franz Müntefering. Der Chef der SPD-Bundestagsfraktion hatte im Tagesspiegel am Sonntag für weniger Konsum und höhere Steuern plädiert. Müller zeigte sich von Münteferings Vorstoß „irritiert“ und sagte dem Tagesspiegel: „Ich würde das nicht unterstützen, sondern im Gegenteil sagen: Die Leute sollen mehr Geld ausgeben.“ Nur durch mehr Einkäufe und neue Aufträge könne die schwächelnde Wirtschaft wieder belebt werden.

Angesichts der wirtschaftlichen Krise „müssen wir alles tun, um mehr Konsum zu initiieren“, sagte Müller. Im Widerspruch zu seinem Parteifreund Müntefering plädierte der Vorsitzende der Berliner SPD-Fraktion dafür, die Steuerlast so zu begrenzen, „dass die Bürger trotzdem genug Geld in der Tasche haben zum Einkaufen“. Franz Müntefering hingegen hatte seine Linie mit den Worten umschrieben: „Weniger für den privaten Konsum – und dem Staat Geld geben, damit Bund, Länder und Gemeinden ihre Aufgaben erfüllen können.“

Zuspruch bekam Müntefering dagegen von Berlins PDS. „Der Staat muss auf seine Handlungsfähigkeit achten, deswegen ist es legitim, über weitere Einnahmen nachzudenken“, sagte Berlins PDS-Chef Stefan Liebich dem Tagesspiegel. Durch eine höhere Körperschafts- oder Vermögenssteuer werde nicht zwangsläufig der generelle Konsum einbrechen.

Massiven Widerspruch provozierte Müntefering vor allem beim Berliner Einzelhandel. „Damit hat Herr Müntefering endgültig bewiesen, dass er von wirtschaftlichen Zusammenhängen keine Ahnung hat“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Nils Busch-Petersen. Was der Sozialdemokrat wolle, „ist Staatssozialismus und hat mit unserer Wirtschaftsordnung nichts zu tun“. Angesichts der seit langem zurückgehenden Umsätze im Handel seien Münteferings Äußerungen, die wie ein Aufruf zum Konsumverzicht klängen, „verheerend“. Auch Tommy Erbe, Veranstalter der Langen Nacht des Shoppings, bezeichnete Münteferings Äußerungen als „destruktiv“. Nach einer langen Flaute habe der Berliner Handel am vergangenen Sonnabend erstmals wieder zufriedenstellende Umsätze erreicht. Das zeige, dass genug Geld da sei, wenn die Bürger nur genügend zum Kaufen motiviert würden. Äußerungen wie die von Müntefering seien deswegen gefährlich. „Wenn er sich durchsetzt, führt das zum weiteren Abbau von Arbeitsplätzen“, sagt Erbe.

Stattdessen sehen die Händler großen Bedarf, durch weitere Anreize den Konsum zu fördern. Als richtigen Schritt lobten Busch-Petersen und Erbe Überlegungen der rot-roten Koalition, die Ladenöffnungszeiten für Berlin zu verlängern. Eine entsprechende Bundesratsinitiative der Hauptstadt schlummert seit drei Jahren im Bundesrat. Deswegen hatte PDS-Fraktionschef Stefan Liebich am Wochenende angeregt, im Alleingang eine eigene Regelung für Berlin zu finden, ohne dass alle anderen Bundesländer mitziehen müssten.

SPD-Fraktionschef Müller will das Thema ebenfalls vorantreiben, setzt dabei aber weiterhin auf den Bundesrat. Müller kündigte an, dass Berlin die Initiative, die aus Zeiten der Berliner Großen Koalition stammt, jetzt erneut in der Länderkammer auf die Tagesordnung bringen will.

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