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Steuerprüfer fehlen: Finanzämter rutschen ins Minus – beim Personal

Durch den Mangel an erfahrenen Steuerprüfern und Nachwuchskräften verliert die Stadt Einnahmen. Gesamtpersonalratschef Wilzer befürchtet eine Verschärfung der Situation bis 2013.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Finanzämter haben ein großes Problem: Es werden zu wenig Nachwuchskräfte ausgebildet, und es fehlen erfahrene Steuerprüfer. In den letzten 15 Jahren wurde ein Viertel der Stellen gestrichen. Noch werden die Steuerbescheide relativ zügig ausgestellt. Aber nur deshalb, weil die Arbeit weitgehend automatisiert ist und junge, ehrgeizige Mitarbeiter, die in den Außendienst streben, von ihren Chefs in den Ämtern gehalten werden. „Die Qualität der Arbeit spielt keine Rolle mehr“, klagt Klaus Wilzer, Chef des Gesamtpersonalrats der Finanzämter. Viele Kollegen seien frustriert.

Ein Gespräch mit dem Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) brachte keine Aussicht auf Besserung. Auch in den Etatberatungen für 2012/13 wird nicht erkennbar, dass die Finanzbehörde mehr Personal und zusätzliche Ausbildungsplätze erhält. Schon der frühere Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hielt die Finanzämter kurz. Der bundeseinheitlich errechnete Personalbedarf wurde während seiner Amtszeit nur zu 90 Prozent erfüllt. Das galt als Schmerzgrenze, doch Ende 2010 sank die Bedarfsquote auf 86,2 Prozent. Wilzer befürchtet, dass sie „bis 2013 auf 80 Prozent rutscht“.

Die Oppositionsfraktionen im Abgeordnetenhaus, aber auch die Koalition haben erkannt, dass dies ein Problem ist, das gelöst werden muss. Kleinster gemeinsamer Nenner ist die Wiederherstellung der „Sarrazin-Grenze“, also 90 Prozent des bundesweit anerkannten Personalbedarfs. Ein Parlamentsantrag, den die Linke koalitionsintern einforderte, kam allerdings nicht zustande. Vorstöße von CDU und Grünen wurden abgeblockt. Die Union fordert bereits für das laufende Jahr 100 zusätzliche Stellen. „Gerade dort, wo viel Geld erwirtschaftet, Steuerbetrug und Schwarzarbeit aufgeklärt werden könnte, ist die Personalausstattung besonders schlecht“, kritisierte der Grüne Oliver Schruoffeneger.

Bei den Lohnsteuer-Außenprüfungen ist die Bedarfsquote auf 64,5 Prozent gerutscht. Auch bei den Sonderprüfungen der Umsatzsteuer sind es nur 73,2 Prozent. Personalratschef Wilzer spricht von „skandalösen Zuständen, die den Steuerbetrug fördern“. Dem Finanzsenator wirft er vor, „die Realitäten in den Finanzämtern nicht wahrzunehmen“. Ein weiteres Problem: Viele Beamte sehen ihre Arbeit entwertet. Nicht mehr die Fachleute, sondern ein EDV-Programm prüft die Steuererklärungen auf Auffälligkeiten und wirft dann Prüfhinweise aus, die die Mitarbeiter abarbeiten müssen.

Die Finanzämter, versehen mit 6005 Vollzeitstellen, haben im vorigen Jahr rund 2,7 Millionen Steuerbescheide erlassen. Davon eine Million für die Einkommensteuer. Wie viel Geld dem Fiskus bei diesem Massengeschäft durch die Lappen geht, weil nur noch oberflächlich geprüft wird, ist nur ansatzweise abschätzbar. Allein die Außenprüfung von Einkommensmillionären bringt je Fall zwischen 20 000 und 100 000 Euro ein. Die Steuerfahnder sorgten in der vergangenen Zeit für jährliche Zusatzeinnahmen von 26 bis 53 Millionen Euro.

Trotzdem sind derzeit nur 668 von 697 Stellen besetzt. Laut offizieller Bedarfsrechnung müsste Berlin 809 Prüfer beschäftigen. Bei der Umsatzsteuer-Sonderprüfung sind nur 143 von 171 vorhandenen Stellen vergeben. Benötigt würden eigentlich 198 Prüfer. Finanzsenator Nußbaum nennt die bundeseinheitliche Personalbedarfsquote eine „gewerkschaftlich gesteuerte Idealvorstellung“. Das Ergebnis der Personalknappheit: Großbetriebe müssten laut Vorgabe der Finanzministerkonferenz alle drei bis vier Jahre geprüft werden. In Berlin sind es durchschnittlich alle 4,7 Jahre. Auch bei den Klein- und Mittelbetrieben wird der Prüfturnus deutlich überschritten.

Selbst wenn neue Stellen geschaffen würden, fehlt der Nachwuchs. So scheiden in diesem Jahr rund 160 Beamte aus, 2013 voraussichtlich 180. Zwar bewerben sich genügend Schulabgänger, aber die strengen Auswahl- und Prüfungsverfahren führen dazu, dass nicht genügend Nachwuchskräfte eingestellt werden.

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