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Berlin: Steuerreform: Stolpe und Diepgen vor der Entscheidung: Parteiraison oder Landesinteresse?

Brandenburgs neuer SPD-Landesvorsitzender Matthias Platzeck hat erstmals offen davor gewarnt, dass die Große Koalition am Streit um die Steuerreform zerbrechen könnte. Er forderte am Montag die märkische Union auf, ihren Widerstand gegen die Verabschiedung des Steuerpakets am Freitag im Bundesrat aufzugeben.

Brandenburgs neuer SPD-Landesvorsitzender Matthias Platzeck hat erstmals offen davor gewarnt, dass die Große Koalition am Streit um die Steuerreform zerbrechen könnte. Er forderte am Montag die märkische Union auf, ihren Widerstand gegen die Verabschiedung des Steuerpakets am Freitag im Bundesrat aufzugeben. Wie bereits CDU-Landeschef Jörg Schönbohm sprachen sich Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß und CDU-Fraktionschefin Beate Blechinger dafür aus, die Abstimmung auf September zu vertagen.

Sie signalisierten Kompromissbereitschaft, wenn es noch einige Nachbesserungen gebe. An einem Scheitern der Großen Koalition können weder SPD noch CDU ein Interesse haben, betonte Blechinger. PDS-Landeschefin Anita Tack forderte die Landesregierung auf, das Steuerpaket abzulehnen, weil es Land und Kommunen finanziell belaste und nur Besserverdienende davon profitierten.

Die Brandenburger CDU lehnt nach Worten von CDU-Landeschef und CDU-Präsidiumsmitglied Jörg Schönbohm eine Zustimmung zu dem Eichel-Paket derzeit strikt ab. Laut Koalitionsvertrag müsste sich Brandenburg im Bundesrat dann der Stimme enthalten. SPD-Finanzministerin Wilma Simon bezeichnete es als "denkbar", dass sich Regierungschef Manfred Stolpe notfalls über den Einspruch der CDU im Bundesrat hinwegsetzen könnte. Entsprechende Forderungen an Stolpe, der nach "pflichtgemäßen Ermessen" entscheiden will, kommen von Kanzler Gerhard Schröder und aus der SPD-Bundestagsfraktion. Sie setzen darauf, dass die nach neunjähriger Opposition gerade in die Regierung gekommene CDU nicht aus der Koalition aussteigen würde. Zumindest Blechinger hielt einen Alleingang Stolpes - womöglich von der CDU insgeheim geduldet - für "undenkbar". Sie gehe davon aus, dass in der Koalition abgestimmt wird, wie der Ministerpräsident im Bundesrat votiert. Es sei nicht ausgeschlossen, dass deshalb in dieser Woche der Koalitionsausschuss einberufen werde. Wenn Stolpe eigenmächtig im Bundesrat zustimmen sollte, würde die CDU nicht im Potsdamer Regierungsbündnis bleiben können, sagte der CDU-Mittelstandsexperte Holger Bartsch. "Ein anderes Szenario ist unter Schönbohm nicht vorstellbar." Er sei sicher, dass sich SPD und CDU bis September einigen würden.

Dass die Koalition am Streit um die Steuerreform zerbricht, hielt dagegen Christian Ehler, der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, "für nicht vorstellbar". Es müsse gemeinsam darum gehen, einige Nachforderungen für die ostdeutsche Wirtschaft durchzusetzen. Grundsätzlich sei die Reform für Ostdeutschland nötig und dürfe nicht zu lange aufgeschoben werden. Wirtschaftsminister Fürniß plädierte ebenfalls für einen Kompromiss. Er betonte, dass die Steuerreform für die brandenburgische Wirtschaft grundsätzlich notwendig ist. Entscheidend sei, dass die Reform zum 1. 1. 2001 in Kraft treten könne. Für eine zügige Verabschiedung der Reform hatte sich der Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern ausgesprochen. Der Berlin-Brandenburger Landesgeschäftsführer Ludwig Klaus vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) stütze hingegen die CDU-Linie und verlangte weitere Nachbesserungen für kleine und mittlere Unternehmen. Blechinger wies darauf hin, dass durch die Steuerreform auf Land und Kommunen Einnahmeausfälle von 600 Millionen Mark hinzukommen. Sie schloss eine Zustimmung der CDU nicht aus, wenn es weitere Zugeständnisse bzw. ein Kompensationsangebot des Bundes - die Rede ist von einigen hundert Millionen Mark für wirtschaftsnahe Infrastruktur - gäbe.

Dagegen sprach die Potsdamer CDU-Bundestagsabgeordnete Katharina Reiche - nach eigenen Angaben in Abstimmung mit Schönbohm - von "Bestechungsversuchen" der Bundesregierung, Brandenburgs Zustimmung zu erkaufen. Dies sei eine "erpresserische Aushöhlung des Föderalismus", so Reiche. Die SPD-Bundesspitze wolle die Große Koalition in Brandenburg scheitern lassen. Eine endgültige Entscheidung über das Votum Brandenburgs soll erst wenige Stunden vor der Bundesratssitzung fallen.

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