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Berlin: Stiften gehen

Mäzenatentum, ehrenamtliches Engagement, Sponsoring – das müssen die Berliner erst noch lernen

WIE RETTEN WIR BERLIN?

Bürgerschaftliches Engagement, Sponsoring und Mäzenatentum, Spenden sammeln und stiften – das sind nicht Berlins Stärken. Eine Studie des Bundesfamilienministeriums zeigte vor drei Jahren: Jeder dritte Bundesbürger unterstützt gemeinnützige Vereine, Schulen, Krankenhäuser oder Kultureinrichtungen mit Arbeit oder Geld. In Berlin ist es nur jeder vierte, während in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen die Hälfte der Bürger bereit sind, für andere Gutes zu tun.

In Berlin mangelt es zum Beispiel an Honoratioren, an mittelständischen Unternehmern, für die es zum guten Ton gehört, zu geben. Auch arbeiten in Berlin weniger Stiftungen als in anderen deutschen Großstädten. Ulrich Brömmling, Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, hat errechnet, dass in der Hauptstadt auf 100 000 Einwohner 14 Stiftungen kommen, in München sind es 34 und in Hamburg sogar 49. Dass muss sich ändern, hat jetzt die FDP beschlossen. Ende des Jahres wollen die Liberalen ein „Berliner Programm für eine Bürgergesellschaft“ vorlegen. Die CDU will nicht nachstehen und im Mai auch ein „Hauptstadt-Programm“ beschließen. Im Entwurf heißt es: „Die Bürger müssen stärker als bisher animiert werden, sich im Großen wie im Kleinen für das Gemeinwohl ihrer Stadt zu engagieren.“ Und selbst die nicht-bürgerliche SPD will, ebenfalls im Mai, einen Leitantrag verabschieden, in dem „mehr Raum für ziviles Engagement“ gefordert wird.

Die Freien Demokraten, die sich in Berlin als Stimme des liberalen Bürgertums verstehen, machen in Berlin „behütetes Wohlstandsdenken auf westlicher Seite, obrigkeitsstaatliches Denken auf östlicher Seite“ für die Situation verantwortlich. Ergänzt durch „stadtweite Mutlosigkeit und die Überzeugung, dass selbstverständlich der Staat für soziale Sicherheit und materiellen Wohlstand zu sorgen hat“. Für diese Meinung gibt es inzwischen breite Zustimmung: von Politikern, Vereinen, Soziologen usw. So eine „schlappe“ Haltung könne sich das marode Berlin nicht mehr leisten, ist der Tenor. Und es gibt ja auch schon hoffnungsvolle Ansätze. 800 000 Berliner engagieren sich, vor allem im Sport und im Schulbereich, aber auch im sozialen Sektor und in der Kultur, wobei es immer noch Unterschiede zwischen Ost und West gibt. So bringen sich acht Prozent der West-Berliner im Sportbereich ein, aber nur fünf Prozent der Ost-Berliner. Im kirchlichen Bereich passiert im Osten der Stadt so wenig, dass es statistisch kaum erfassbar ist, während im Westteil vier Prozent der Berliner kirchlich aktiv sind, was dem Bundesschnitt entspricht.

Dass Berlin in Sachen bürgerschaftliches Engagement Nachholbedarf hat, liegt aber nicht nur an einer besonders ausgeprägten Versorgungsmentalität. Auf dem Land hatten die Menschen schon immer mehr Spaß am Vereinsleben, sagt Eckhard Priller vom Wissenschaftszentrum Berlin. Daran habe sich bis heute nichts geändert. Was Menschen bewegt, die helfen wollen, weiß die „Berliner Freiwilligenagentur“ sehr gut. Sie vermittelte bisher Helfer an 200 Organisationen. Auffällig sei, so die Leiterin der Agentur, dass viele Engagierte mit ihrer Arbeit keine persönlichen Beziehungen aufbauen wollen und projektorientierte Aktivitäten einem dauerhaften Engagement vorziehen. Dazu passt, dass das Malteser Hilfswerk und die Johanniter in Berlin über Nachwuchsmangel bei den klassischen Rettungsdiensten klagen. Keiner will sich mehr über Jahre ausbilden lassen und sich langfristig verpflichten.

Viele beklagen die verkrustete Bürokratie in Berlin. „Da muss sich was ändern“, sagt Anna Blumenthal, die in Charlottenburg eine Schule gründen möchte. „Aber wenn man es dann versucht, werden einem von staatlicher Seite nur Steine in den Weg gelegt.“ Man muss von einer Behörde zur nächsten, bekommt stereotype Antworten. Ein Zeichen der Hoffnung: Zum ersten Mal findet der Deutsche Stiftungstag in Berlin statt. Mit 30 Lions Clubs und 14 Rotary Clubs hat Berlin inzwischen Hamburg und sogar München überrundet.

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