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Berlin: Stille am Stand

Erstmals gibt es auf der Grünen Woche die Sondermesse „Wellness Plus“. Nicht alle fühlen sich wohl

„Die Messehalle 26b ist in diesem Jahr ein besonderes Highlight der Grünen Woche.“ Das hat Christian Göke, Geschäftsführer der Messegesellschaft vor Messebeginn gesagt. Erstmals ist dem lukrativen Trend Wellness eine eigene Messe unter dem Dach der Grünen Woche gewidmet. Doch dass die „Wellness Plus“-Ausstellung bisher alle Erwartungen erfüllt hätte, kann man zur Messehalbzeit so nicht sagen.

Verglichen mit den übrigen Hallen kann man sehr entspannt die Gänge zwischen den Ständen entlangspazieren, die Luft in der Halle riecht weit weniger verbraucht. Das mag dem Wohlbefinden interessierter Besucher dienen, einige Aussteller aber sind verärgert. „Schaun sie sich doch nur mal um: absolut tote Hose hier“, schimpft ein Münchner Händler, der Wärme- und Kälte-Packungen verkauft. „Das Geld für die Standgebühren hätten wir uns sparen können. Hier kommt keine Laufkundschaft vorbei, die aber brauchen wir.“ Ob er im nächsten Jahr wiederkommt? „Da müsste sich im Lauf der Woche viel ändern.“ Sein Stand liegt im Mittelgang der Halle. Einige dort sind ähnlich enttäuscht wie der Mann von ThermoVital.

Laue Nachfrage beklagen vor allem die Anbieter teurerer Geräte – von Massagemöbeln oder medizinischen Extendern etwa. Und das sind einige in Halle 26b. „Es ist bislang sehr wenig los. Wir können gerade so damit leben, wie es hier läuft. Aber toll ist das nicht“, sagt etwa Oliver Müller. Für den Betrieb seines Vaters bewirbt er spezielle Rückenmöbel, erstmals auf der Grünen Woche. Und Annegret Heinen vom Institut für Gesundheit sagt: „Wenn man das Thema Wellness auf dieser Messe ernsthaft voranbringen will, sollte man sich vielleicht überlegen, ob man nicht mindestens einen Fachbesuchertag einrichtet für Ärzte, Therapeuten und dergleichen.“ Die Massagesessel und -liegen an ihrem Stand kosten 2400 Euro und mehr.

Wolfgang Rogall, Sprecher der Grünen Woche, glaubt dagegen nicht „dass es Missstimmung unter den Händlern gibt. Mit einer Ausnahme habe ich bisher nur positive Stimmen gehört.“ Stimmen wie die von Robert Schmiderer. Der Geschäftsführer der Firma Staby sagt: „Es ist nicht wahnsinnig viel los, aber wir erreichen dafür exakt das Publikum, das wir uns versprochen haben.“ Für ihn heißt das: „Leute ab 35 bis etwa 65 Jahre, kaufkräftige Klientel.“ Schmiderer vertreibt einen beinlangen Kunststoffstab, mit dem man die Tiefenmuskulatur des Rückens stärken soll. Preis: 49 Euro.

Inhaltlich zeigt die Schau, wie dehnbar der Begriff Wellness ist. Markenparfüms in Mini-Flakons gibt es und Massagen. Spezialisierte Hotels bieten Wohlfühlurlaube an, die Nachbarstände Tätowierungen und Piercings oder Cremes, mit deren Hilfe sich Hornhaut besonders toll von Fingern und Zehen entfernen lassen soll. Auf der Tanzbühne stellt der Fitness- und Gymnastikclub Glienicke ein Sportgerät vor. Ein Akkupressurgerätehersteller massiert Stirn, Rücken und lädierte Knie.

Ein Rentnerehepaar aus Brandenburg an der Havel ist begeistert. „Von dem Gerät und von der Wellness-Messe.“ Andreas Gottschalk, 32, aus Neukölln ist ebenfalls wegen des Wellness-Themas zur Grünen Woche gekommen. Er, ein junger Städter, gehört zu jenem Publikum, das Messemacher Göke mit „Wellness Plus“ besonders ansprechen will. Jetzt müsste Gottschalk nur seine Meinung – „Okay, aber nicht überragend“ – noch mal überdenken.

Marc Neller

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