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Berlin: Stiller Abschied von der Deutschlandhalle

Charlottenburg-Wilmersdorf ist für eine letzte Feier – die Messegesellschaft lehnt das ab und lässt schon mal die Sprengung vorbereiten

Abschied nehmen zu können, so ist das menschliche Herz gestrickt, ist wichtig. Nicht nur von Menschen, sondern auch von bedeutsamen Orten. Für viele Berliner ist die Deutschlandhalle in Westend so ein besonderer Ort. Auch wenn die von den Nationalsozialisten für die Olympischen Sommerspiele 1936 errichtete Mehrzweckhalle – für rund 10 000 Zuschauer damals die größte ihrer Art – nie als echte Schönheit galt. Doch zahllose Berliner haben hier mit den Stones, The Who, Jimi Hendrix, Take That, David Bowie und den Beatsteaks ihre ersten großen Konzerte erlebt, waren bei Eishockeyspielen und sahen Fußballweltstars wie Lothar Matthäus von Bayern München bei den legendären Hallenturnieren.

Abschied nehmen werden die Berliner, anders als bei der Schließung des Flughafens Tempelhof im Jahr 2008, jedoch nicht können, zumindest nicht offiziell – gefeiert werden müsste spontan auf dem großen Parkplatz davor. Denn aus Anlass des für dieses Jahr geplanten Abrisses der stark sanierungsbedürftigen Halle ist keine Abschiedsfeier geplant. Weder vom Senat, der den Abriss gegen den bestehenden Denkmalschutz und den langjährigen Widerstand des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf aufgrund von Unwirtschaftlichkeit vor knapp einem Jahr durchgesetzt hatte, noch von der landeseigenen Messe Berlin GmbH.

„Ich empfinde das als schade“, sagt Klaus-Dieter Gröhler (CDU), Baustadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, der sich stark für die Erhaltung des Gebäudes eingesetzt hatte. „Es wäre schön und angemessen, die Deutschlandhalle zu diesem Anlass noch einmal mit Leben zu füllen.“ Messesprecher Michael Hofer widerspricht: „Die Halle ist aus Sicherheitsgründen seit fast zwei Jahren geschlossen. Es ist schon passiert, dass Betonteile von der Decke gestürzt sind.“ Auch an ein Open-Air- Feuerwerk oder eine Abrissparty – wie es bei großen Bauten schon mal vorkommt – ist nicht gedacht.

Die Messe freut sich viel mehr über den großen Platz und den damit erst möglichen und dringend notwendigen Neubau von Ausstellungshallen, wie Messechef Christian Göke am Wochenende gesagt hatte. „Wir platzen aus allen Nähten.“ Bei großen Ausstellungen wie Grüne Woche, Internationale Tourismusbörse (ITB) und Internationale Funkausstellung (IFA) gelange das Messegelände an seine Kapazitätsgrenzen.

Die Abbrucharbeiten für die alte Deutschlandhalle – sie wurde 1943 bei Luftangriffen zerstört und erst im Jahr 1957 in heutiger Form wiedereröffnet – werden bereits geplant. Die Sprengung des sogenannten Laternendachs und der anschließende Abriss sollen im Spätherbst erfolgen, „im letzten Quartal“, sagt Messesprecher Hofer. Der genaue Tag stehe noch nicht fest. Der an gleicher Stelle für 65 Millionen Euro geplante zweigeschossige Neubau mit bis zu 20 000 Quadratmetern Fläche und direkter Anbindung ans Messegelände muss bis Ende 2013 fertig sein. Er soll als Ausweichort dienen, wenn zwischen 2014 und 2016 das Internationale Congress-Centrum ICC saniert wird. Der Charlottenburger CDU-Politiker Gröhler hat eine Vermutung, warum der Abrisstermin so weit nach hinten geschoben wurde: „Am 18. September wird gewählt. Der Senat hat kein Interesse daran, dass enttäuschte West-Berliner Bürger ihren Unmut über den Abriss zur Wahlurne tragen“, sagt der 44-Jährige. Messesprecher Hofer hat eine andere Erklärung: Der späte Termin liege an der europaweiten Ausschreibung für die Dachsprengung. „Der Unternehmer, der den Zuschlag erhält, braucht eine lange Vorlaufzeit, um alle Details des großen Gebäudes zu erfassen“, sagt Hofer. Eva Kalwa

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