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Einer wird gewinnen. Berlins Sozialdemokraten entscheiden am heutigen Sonnabend über den nächsten SPD-Landesvorsitzenden – die Wahl zwischen Jan Stöß (li.) und Michael Müller gilt auch als Votum über die Politik des Regierenden Klaus Wowereits. Foto: dpa/Kahnert

© picture alliance / dpa

Stöß oder Müller: Showdown bei der Berliner SPD

Der Landesparteitag der Berliner SPD hat begonnen: Jan Stöß und Michael Müller kämpfen um den Chefposten bei den Sozialdemokraten. Der Sieger wird die Regierungspartei zwei Jahre lang führen. Was die Kandidaten eint - und was sie trennt.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Michael Müller und Jan Stöß. Zwei Kandidaten treten heute für den SPD-Landesvorsitz an. Was hat der eine, was der andere nicht hat? Wofür stehen die Kontrahenten? Auf dem Parteitag haben 225 SPD-Delegierte die Wahl, der Sieger wird die Regierungspartei zwei Jahre führen. Eine Hürde müssen beide Kandidaten nehmen: Zu Beginn des Wahl-Parteitags werden die SPD-Ortsverbände Niederschönhausen-Blankenfelde und Schöneberg eine Verschiebung der Vorstandswahl beantragen – mit Verweis auf ein Mitgliederbegehren, mit dem ein Votum der SPD-Basis zum künftigen Parteichef erzwungen werden soll. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass sich eine Mehrheit dafür findet. Und selbst wenn, würden sich beide, Müller und Stöß, auch einer Mitgliederbefragung stellen.

Herkunft und Karriere

Michael Müller (47) ist gebürtiger Berliner, wuchs in Tempelhof auf und begann dort seine politische Laufbahn. Der ehemalige Bezirkspolitiker mit Realschulabschluss und kaufmännischer Lehre sitzt seit 15 Jahren im Abgeordnetenhaus, er war von 2001 bis 2011 SPD-Fraktionschef und führt seit 2004 die Landespartei. Im Dezember wurde er Stadtentwicklungssenator.

Jan Stöß (38) stammt aus Hildesheim, er politisierte sich dort als Schülersprecher, studierte Jura in Göttingen, seit 1996 in Berlin. Er arbeitete nach dem Examen als Anwalt für Bau- und Planungsrecht, dann als Richter am Landgericht. Stöß ist Chef des SPD-Kreisverbands Friedrichshain-Kreuzberg und Sprecher der Parteilinken in Berlin. Nur ein Jahr, bis 2011, war er Finanzstadtrat, seitdem ist er Verwaltungsrichter.

Der Rückhalt der Kandidaten in der SPD

Hinter Jan Stöß stehen viele junge Sozialdemokraten, ökologisch orientiert, auch Piraten gegenüber offen, oppositionell. Im Zentrum Berlins, zwischen Nord-Neukölln, Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Kreuzberg findet Stöß sein Publikum. Außerdem ist es ihm gelungen, mit der SPD-Rechten eine strategische Allianz zu schmieden, die sich gegen das Establishment um den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und dessen engem Vertrauten Müller richtet. Das linke Spandau hat sich mehrheitlich dazugesellt. Stöß könnte deshalb auf dem Parteitag eine knappe Mehrheit hinter sich scharen.

Die größten SPD-Kreisverbände im Westen, Tempelhof-Schöneberg, Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf stehen großenteils hinter Müller. Außerdem die eher bürgerlichen Bezirksverbände Treptow-Köpenick und Lichtenberg sowie ähnlich gestrickte Ortsverbände in anderen Stadtregionen. Müller kann sich auf die moderat linken Pragmatiker in der SPD stützen, die in Ruhe weiterregieren wollen und Wowereits Kurs unterstützen. Müllers Problem: Die breit aufgestellte Parteilinke hat sich gespalten und wichtige Vertreter des rechten SPD-Flügels haben sich mit ihm, teils aus persönlichen Gründen, überworfen.

Politische Ziele

Sowohl Müller als auch Stöß sind aus dem Kern geschnitzte Sozialdemokraten. Beide kämpfen für soziale Gerechtigkeit, gleiche Bildungs- und Aufstiegschancen für alle, für bezahlbare Mieten auch in der Innenstadt und für einen starken Sektor der öffentlichen Daseinsvorsorge. Unterschiede gibt es in der Verkehrspolitik. Stöß hat die Verlängerung der A 100 vehement bekämpft, Müller hat sich für das Projekt starkgemacht. Stöß will die Teilausschreibung der S-Bahn verhindern, Müller sieht darin eine Möglichkeit, die S-Bahn zu erneuern.

Es scheint auch so, dass Stöß es mit der Haushaltskonsolidierung nicht so genau nimmt, von der Schuldenbremse hält er nichts. Und er leidet sehr unter der Koalition mit der CDU, die Senator Müller gemeinsam mit Wowereit in alltäglicher Kleinarbeit stabil hält. Und während Müller auf innerparteiliche Geschlossenheit und Kompromissbereitschaft großen Wert legt, will Stöß eine streitbare „SPD pur“, die möglichst unabhängig von der Regierungsarbeit am eigenen Profil feilt.

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