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Berlin: Strafe für Ex-Terroristin steht schon fest

20 Jahre lebte sie versteckt Jetzt begann der Prozess

Zwanzig Jahre ist es her, als sie in Dortmund einen Wecker gekauft hat. Gestern stand Adrienne G. nun vor dem Berliner Kammergericht, denn jener Wecker wurde für den Bau eines Zeitzünders verwendet. Mit einer „unkonventionellen Sprengvorrichtung“, so der Staatsanwalt, hätte die Angeklagte als Teil der linksradikalen Frauengruppe „Rote Zora“ 1986 versucht, das Gentechnische Institut in Zehlendorf zu sprengen. Nach dem gescheiterten Anschlag ging damals beim Tagesspiegel ein Bekennerschreiben ein: Gentechnik werde vor allem herrschenden Interessen nützen und müsse deshalb bekämpft werden.

Die Bundesanwaltschaft wirft der 58-jährigen Frau die Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung vor. Adrienne G. soll außerdem für einen weiteren Attentatsversuch auf eine bayerische Textilfabrik 1987 ebenfalls einen Wecker besorgt haben. In beiden Fällen versagte der Mechanismus – beabsichtigt war die Zerstörung der Gebäude, Menschen sollten nicht zu Schaden kommen. G. hat die Taten gestanden. Ihre Mandantin habe sich „wissentlich und willentlich“ an den Anschlägen beteiligt, sie habe derartige Angriffe damals für politisch richtig gehalten, erklärte Verteidigerin Edith Lunnebach gestern. Was sich in den vergangenen zwanzig Jahren bei Adrienne G. verändert hat, sagte sie nicht. Muss sie auch nicht, denn der Ausgang des Prozesses gilt als entschieden.

Einträchtig haben die Verteidigung der ehemaligen Terroristin und die Ankläger des Staatsschutzsenats den Prozess vorbereitet. Weil G. geständig ist und sich zusammen mit ihrem ebenfalls gesuchten Lebensgefährten nach zwei Jahrzehnten im Untergrund im vergangenen Dezember gestellt hatte, hat das Gericht eine Bewährungsstrafe von höchstens zwei Jahren angekündigt. Bei den Anschlägen sei niemand verletzt worden, auch Sachschaden habe es nicht gegeben, hieß es. Vor Gericht geht es nun nur noch um Formalien – die Zusammensetzung des Sprengstoffs, technische Details und den zeitlichen Ablauf der Taten.

Die „Rote Zora“ hatte sich 1977 als feministische Teilorganisation innerhalb der linksradikalen „Revolutionären Zellen“ (RZ) gegründet – die sich bis Anfang der 1990er zu knapp 180 Anschlägen bekannten: Im Oktober 1986 wurde dem damaligen Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Harald Hollenberg, in die Beine geschossen. In einem Schreiben machten die RZ den „Menschenjäger und Schreibtischtäter“ Hollenberg für den Verbrennungstod von sechs Abschiebehäftlingen verantwortlich. Ein Jahr später schossen die RZ auch dem damaligen Verwaltungsrichter Günter Korbmacher in Lichterfelde ins Bein. Er habe Menschen in den drohenden Tod abgeschoben.

Schon in den vergangenen Jahren mussten sich sieben ehemalige RZ-Aktivisten in Berlin vor Gericht verantworten. Teilweise lebten die Verdächtigen seit mehr als zehn Jahren gesetzestreu im Ausland. Wo sich G. und ihr Lebensgefährte zwei Jahrzehnte lang versteckt hielten, wisse sie nicht, sagte Lunnebach. Beide waren im Dezember 1987 nach einer Fahndung des Bundeskriminalamtes untergetaucht. Dass sie angeblich mithilfe der Staatssicherheit der DDR entkommen sind, sei „völlig absurd“, sagte die Anwältin. Warum ihre Mandantin, die jetzt als Fotografin arbeitet, nach all den Jahren zurückgekehrt sei? „In der Illegalität zu leben, ist ziemlich belastend.“ Am Montag wird das Urteil gesprochen.

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