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Bringt den eigenen Vater und zwei Onkel vor Gericht, weil sie ihn entführten: Nasser Al-A., 18. Er sollte zwangsverheiratet werden, weil er schwul ist.

© Mike Wolff

Strafjustiz in Berlin: Ausnahmezustand am Kriminalgericht

Der Prozess um Nassers Entführung beginnt in diesen Minuten: Der 18-Jährige bekennt sich zu seiner Homosexualität - seine libanesischen Angehörigen versuchten ihn zu verheiraten und zu entführen. Zeitgleich finden heute Verhandlungen um Rockermord und Terrorismus statt. Das Landgericht erhöht die Sicherheit.

Von Fatina Keilani

Es könnte eng werden beim Zugang zum Kriminalgericht in Moabit am Donnerstagmorgen, denn die Zuschauer gleich dreier spektakulärer Prozesse müssen durch denselben Aufgang und durch verschärfte Sicherheitsvorkehrungen.

In Saal 701 beginnt der Prozess um Freiheitsberaubung an Nasser Al-A. Der 18-Jährige kommt aus einer libanesischen Familie und bekennt sich offen zu seiner Homosexualität – für seine Angehörigen war das unerträglich. Die Familie hatte nicht nur versucht, Nasser Al-A. durch Zwangsheirat „auf den richtigen Weg“ zu bringen, sondern auch mehrfach Gewalt angewendet und Nasser Al-A. schließlich sogar entführt. Doch der hatte zuvor das Jugendamt eingeschaltet, das Nasser Al-A. unter Pflegschaft stellte. Der Pfleger ließ eine Auslandssperre für Nasser verhängen, und so fiel die Entführung an der Grenze auf. Dadurch ist sie gut dokumentiert.

Er ist schwul - und steht dazu. Die Familie erträgt es nicht

Auch von dem starken sozialen Druck seines Herkunftsmilieus ließ sich der junge Mann nicht beirren: Er stellte Strafantrag. Nun stehen sein Vater und zwei Onkel vor Gericht. Um 9.15 Uhr beginnt der Prozess gegen Daoud, Fadi und Khalil Al-A. Der Prozess wurde extra in den größeren Saal 701 verlegt, weil viele Medien, Schwulenaktivisten und auch Zuschauer arabischer Herkunft erwartet werden.

Bevor die Sache bekannt wurde und das Medieninteresse entstand, war der Prozess, der vor einer Einzelrichterin des Amtsgerichts stattfindet, in einem kleinen Saal terminiert worden.

Im Saal 700 gleich nebenan läuft ab 9 Uhr der erste Berliner Terrorprozess mit Bezug zum syrischen Bürgerkrieg. Hier stehen der Berliner Fatih K. und der Frankfurter Fatih I. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor Gericht. Und ein Stockwerk tiefer, im Saal 500, geht es ab 9.45 Uhr weiter um die tödlichen Schüsse auf Tahir Ö.

in einem Weddinger Wettbüro im Januar 2014. Elf Angeklagte aus dem Rockermilieu stehen vor Gericht, 24 Verteidiger sind dabei, es herrschen besondere Sicherheitsvorkehrungen. Wer zu einem der Prozesse will, sollte also früh da sein.

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