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Berlin: Strandbad Grünau: Grüßen vom Badeturm

Die junge Frau ist der erste Aufreger heute morgen. "Ich habe bezahlt für einen Erwachsenen, ein Kind und eine Liege", sagt sie, "aber für die Liege hab ich jetzt keinen Schein.

Die junge Frau ist der erste Aufreger heute morgen. "Ich habe bezahlt für einen Erwachsenen, ein Kind und eine Liege", sagt sie, "aber für die Liege hab ich jetzt keinen Schein." Ausbilderin Rosemarie Swantusch regelt den Fall an der Kasse. Dort sitzt Michael Mertsch und ist Herr über Tickets und Liegenscheine. Dabei ist der 18-Jährige nur Lehrling im Strandbad Grünau und hat heute seinen ersten Kassentag.

Dann herrscht wieder beschauliche Stille in der Badebucht am Langen See im Südosten Berlins. Sie ist seit ein paar Tagen fest in Lehrlingshand. Nur so konnte Grünau in dieser Saison öffnen. Mit Lehrlingen vor der Schließung gerettet, wurden auch die Freibäder Plötzensee, Jungfernheide, Tegelsee und, von hier aus am anderen Ufer zu sehen, das Bad Wendenschloss. Der Senat strich den Bäderbetrieben 7,5 Millionen Mark. Deshalb organisieren in Grünau nun neun junge Menschen die gesamte Anlage und halten durch ihr Azubigehalt die Personalkosten klein.

"Wir versuchen, das Bad zu leiten", sagt Stephanie Heinz dazu und lässt die Augen über den Strand schweifen. Die 20-Jährige ist im dritten Lehrjahr und wacht heute vom Turm aus über Schwimmer und Planscher. Ziemlich viel Verantwortung sei das und interessant dazu: "Wir lernen eben, wie es ist, wenn wir ausgelernt haben", sagt sie.

Kein schlechter Arbeitsplatz für die neue Mannschaft: weißer Sand und kühles Wasser, nebenan duftet der Kiefernwald und von den Badelaken das Sonnenöl. Immer mehr Gäste staksen mit großem Gepäck zu den 109 Strandkörben. Die Lehrlinge sind schon seit neun Uhr hier: Boote müssen aus der Badezone vertrieben werden, der Spielplatz ist zu begutachten, Unappetitliches wird vom Ufer gefischt, und jede Menge Sand wird gekehrt: aus Kabinen und Klos, von der Terrasse. "Und dann die Spinnweben", sagt Rosemarie Swantusch. Sie sind übermächtig in einem Naturbad.

Die 54-Jährige ist Chefin in Grünau und brütet über dem Dienstplan. Zwei Mal pro Woche fallen die Lehrlinge im Wechsel durch Berufsschule aus, sonst rotieren sie zwischen Kassenhäuschen und Badeturm. Ohne das Grünau-Projekt wären sie nach der Hallen-Zeit auf andere Freibäder verteilt worden.

"Aber hier können wir viel mehr tun als in Bädern mit Schwimmeistern", sagt Ronny Läwe. Seine Ausbilderin registriert wohlwollend, dass er unaufgefordert die Blumen wässert - Arbeit in Eigenverantwortung tut den Lehrlingen gut. Ein Beachvolleyball-Turnier planen sie, wollen eine eigene Mannschaft aufstellen. Und wenn es nach ihnen ginge, könnte es hier auch öffentliche Parties, nachts und am Wasser.

Aber sie wissen auch, dass große Sprünge für die Bäderbetriebe unmöglich sind. Der Lohn eines Lehrlings im ersten Jahr bleibt unter 1000 Mark netto, ein Saisonarbeiter würde fast das Dreifache bekommen. Dass die Azubis nun Grünau wiederbeleben, stört sie nicht: "Die sparen ja nicht nur, sondern geben auch weiter Geld für das Bad hier aus", sagt Ronny Läwe.

Stephanie begrüßt jetzt vom Turm die Sonnenhungrigen: "Es sind 19 Grad Wassertemperatur und 25 Grad Lufttemperatur. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt." Umkrempeln können die Lehrlinge den Betrieb in Grünau allerdings nicht. Musik am Strand hätte sie schon mal gerne, sagt Stephanie, aber es sind ja viele Stammgäste und Ältere hier, die wollen ihre Ruhe haben."

Die Stammgäste mögen die Lehrlinge und sind dankbar für ihren Einsatz. Doch eins können ihnen die jungen Leute auch nicht ersparen: Am Strandbad gibt es keine Parkplätze. Und seit die Tram nicht mehr fährt, müssen sie ihre Taschen vom Bahnhof Grünau drei Kilometer weit schleppen.

Margret Steffen

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