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Streik: Ärzte protestieren weiter

Tausende Ärzte haben heute ihre Massenproteste für bessere Bezahlung und gegen zu viel Bürokratie fortgesetzt. Die zentrale Kundgebung findet in Berlin statt.

Berlin - Niedergelassene Ärzte aus ganz Deutschland haben sich zu einem Protestzug vor das Bundesgesundheitsministerium in Berlin versammelt. Bis zum Mittag wurden aus sieben Bundesländern Praxis-Schließungen und Demonstrationen gemeldet. In Berlin versammelten sich rund 14.000 Praxis-Ärzte aus ganz Deutschland. Sie protestieren gegen eine aus ihrer Sicht zu schlechte Vergütung und zu viel Bürokratie. Wegen der Ausgaben-Begrenzungen im Gesundheitswesen sieht die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) fast ein Drittel der Arztpraxen vom Bankrott bedroht.

Nach Angaben von Ärzteverbänden protestierten in Nordrhein-Westfalen tausende Mediziner gegen sinkende Einkommen. In Bayern blieben nach Schätzungen bis zu 5000 Praxen geschlossen, in Baden-Württemberg mehr als 1000, in Rheinland-Pfalz gut 1500. In Brandenburg blieb die Hälfte der insgesamt 3000 Arztpraxen geschlossen. In Saarbrücken zogen hunderte Ärzte und Praxis-Mitarbeiter in einem Demonstrationszug durch die Stadt, in Hamburg blieben rund 90 Prozent der Praxen dicht. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und die SPD zeigten Verständnis für die Sorgen der Mediziner, wiesen die Forderungen zahlreicher Ärztefunktionäre aber als weit überzogen zurück.

Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer, bekräftigte im Fernsehsender n-tv, die Versorgung der Patienten sei massiv gefährdet, weil die meisten Praxen Überlebensprobleme hätten. Andreas Köhler und Ulrich Weigeldt vom Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sagten: «Die stille Rationierung in der ambulanten Versorgung ist nicht mehr zuzumuten.» Die Politik suche das Heil oft in noch komplizierteren Regelungen.

Gesundheitsministerin Schmidt sagte in Berlin: «Mancher bürokratischer Auswuchs, über den sich viele beschweren, ist überflüssig, die Honorarverteilung ist nicht gerecht, und es ist auch richtig, dass es Ärzte und Ärztinnen gibt, die finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen.» Manche Ärztefunktionäre bauten durch «verbale Übertreibungen» aber eine ungerechtfertigte Drohkulisse auf und machten Stimmung mit Berichten über ein angebliches Praxissterben.

«Honorar und Bürokratie sind Sache der Ärzteschaft selber sowie der Selbstverwaltung», betonte Schmidt. «Das wenigste ist gesetzlich verordnet.» Die Ministerin rief die Ärzteorganisationen zu weiteren konstruktiven Gesprächen über ein neues, transparentes und gerechtes Abrechnungssystem auf. Am Tag der Proteste hätten sich die Ärzteverbände einem angebotenen Gespräch verweigert.

Die Zahl der Praxisgründungen und Zahl der ambulanten Ärzte steige, sagte Schmidt. Es kämen deutlich mehr Ärzte nach Deutschland, um hier zu arbeiten, als dass Mediziner abwanderten. Der Sprecher des Marburger Bundes, Athanasios Drougias, dazu dazu der dpa: «Anscheinend sieht Frau Schmidt in der Flucht deutscher Ärzte ins Ausland und im Zuzug osteuropäischer Ärzte nach Deutschland kein Problem.»

Die Praxisärzte kommen nach Darstellung Schmidts nach Abzug der Praxiskosten auf einen durchschnittliches Jahresüberschuss 84.000 Euro. Das Durchschnittseinkommen der Beitragszahler betrage 33.000 Euro «Die Zahlen zeigen, dass man nicht generell von einer Misere sprechen kann.» Die für Gesundheit zuständige SPD-Fraktionsvize Elke Ferner sagte der dpa: «Natürlich möchte jeder gerne mehr.» Die Probleme einzelner Ärzte rührten aber daher, das die Arzt-Honorare unterschiedlich verteilt seien. «Die Verteilung auf einzelne Ärzte erfolgt über die Kassenärztlichen Vereinigungen.»

Marion Caspers-Merk, Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, forderte die Ärzte auf, ihren Widerstand gegen Einsparungen aufzugeben. Es gebe in der Ärzteschaft bisher nicht genutztes Einsparpotenzial, sagte die SPD-Politikerin der dpa. Caspers-Merk und Schmidt verteidigten die geplante Bonus-Malus-Regelung, nach eine sparsame Verordnungspraxis von Ärzten belohnt und eine teure bestraft werden soll. «Das gibt dem Arzt mehr Freiheit als heute», sagte Schmidt. (tso/dpa)

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