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Transfusion nötig - die meisten Universitätskliniken brauchen wie die Charité mehr Geld, um Spitzenversorgung aufrechtzuerhalten.

© Patrick Pleul / dpa

Streik an der Charité in Berlin: Spitzenmedizin muss sich auch um den Alltag kümmern

Der drohende Vollstreik der Pflegekräfte erhöht den Druck auf die Bundespolitik. Nun ist ein neues Gesetz in Arbeit: Es soll erstmals anerkennen, dass Hochschulambulanzen auch für die Massenversorgung nötig sind.

Dass der Charité-Tarifstreit kaum noch an der Klinik selbst gelöst wird, wissen die Pflegekräfte, der Krankenhausvorstand und der Senat gleichermaßen. Schwestern und Pfleger fordern mehr Personal, um Stress und Fehler zu reduzieren. Nun droht ein Vollstreik der nichtärztlichen Mitarbeiter an der landeseigenen Universitätsklinik. Der würde die Charité mehrere Millionen Euro an Einnahmeausfällen kosten – und das klamme Budget so sehr belasten, dass die Bundespolitik erst recht über eine bessere Ausstattung ihrer Hochschulkliniken nachdenken müsste. Die meisten der 2000 deutschen Kliniken machen Verluste, von den Universitätskliniken gar 80 Prozent. Wird ein Streik zu einer besseren Ausstattung führen?

Bundespolitiker diskutieren über die Charité-Pflegekräfte

Nach ihrem Warnstreik im April waren die Forderungen der Schwestern und Pfleger auch unter Bundespolitikern diskutiert worden. Schon in den Monaten zuvor hatte der Charité-Vorstand dem Senat, vor allem aber der Bundesregierung zu verstehen gegeben, dass es so im sprichwörtlichen Sinn nicht weiter gehen kann: An der Charité soll laut Gesetz für die Spitzenmedizin geforscht, besonders komplexe Fälle aus der gesamten Region behandelt und zudem massenhaft Patienten in den Rettungsstellen auf den drei Campussen versorgt werden. Insgesamt ist das ein Auftrag, der sich weder aus Forschungsgeldern noch Landeszuschüssen, schon gar nicht aber durch die Krankenkassenpauschalen erfüllen lässt. Das Geld reicht kaum für nötiges Personal.

In der großen Koalition tut sich nun einiges. Die Entwürfe für das neue Versorgungsstärkungsgesetz wurden geändert, dies ermögliche „eine ausreichende Vergütung der Hochschulkliniken“, teilte etwa Thomas Oppermann, Chef der SPD-Bundestagsfraktion, kürzlich mit. Konkrete Zahlen gibt es noch nicht, dennoch sind einige an der Universitätsklinik optimistisch.

Neues Gesetz: Die Hochschulambulanzen sind für Versorgung nötig

Erstmals soll gesetzlich anerkannt werden, dass Hochschulambulanzen eben auch für die Massenversorgung nötig sind – dass Ärzte und Pfleger an der Charité neben den Anforderungen der Hochleistungsmedizin auch den Krankenhausalltag einer Metropole bewältigen. Bislang haben die Krankenkassen den Unikliniken für ihre ambulanten Patienten nur knappe Pauschalen bezahlt: Sinngemäß geschieht dies mit dem Argument, dass die Häuser ja für die Forschung da seien – wofür es eigene Geldtöpfe gebe. Erkennt der Gesetzgeber an, dass Hochschulkliniken auch ambulante Patienten behandeln sollen und müssen, könnte die Charité mit den Kassen neu verhandeln und mit einem Gesetzesauftrag argumentieren.

Dazu, dass vor allem ambulante Fälle schlecht vergütet werden, sei angemerkt, dass heute selbst hochkomplexe Fälle – etwa in der Augenheilkunde – ambulant behandelt werden, also sich Unimedizin nicht durch stationären Aufenthalt auszeichnet. Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) ist Charité-Aufsichtsratschefin. Sie sagt: „Bei der Finanzierung der Hochschulambulanzen bewegt sich etwas. Ob das insgesamt das Problem löst, muss sich jedoch erst noch zeigen.“

Verband der Universitätsklinika: Am Ende kommt es auf die Krankenkassen an

Die Charité ist Mitglied im Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), der 33 Hochschulkrankenhäuser mit insgesamt 180.000 Mitarbeitern vertritt. VUD-Generalsekretär Ralf Heyder sagte dem Tagesspiegel: „Mit dem neuen Gesetz wird endlich anerkannt, dass die Hochschulambulanzen für die Spezialversorgung der Bevölkerung unverzichtbar sind.“ Nun stünden Verhandlungen mit den Krankenkassen an. „Das Gesetz schafft dafür zwar bessere Voraussetzungen, bietet aber keine Gewähr, dass dieses Geld auch wirklich fließt. Am Ende kommt es also auf die Kassen an.“

Die Charité beschäftigt samt Tochterfirmen fast 17.000 Pflegekräfte, Techniker, Ärzte, Forscher und Verwaltungsfachleute. Die Forderung der Pflegekräfte beläuft sich auf bis zu 600 neue Mitarbeiter. Mit Nebenkosten müsste die Klinik für das Zusatzpersonal 35 Millionen Euro im Jahr einplanen. Wird der kürzlich aufgelegte Pflege-Sonderfonds der Bundesregierung ausgeschöpft, dürfte das geforderte Zusatzpersonal allenfalls 25 Millionen Euro kosten. Für den zweitgrößten Arbeitgeber der Stadt und die größte Universitätsklinik Europas hört sich das nach nicht allzu viel an.

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