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Berlin: Streiken statt heilen: Ärzte kündigen Protestwelle an

Die Berliner Ärzte drohen mit groß angelegten Protesten und Streiks. Mit der einwöchigen Schließung von rund 30 Röntgen-Praxen in den Ostbezirken beginnt heute eine Streikwelle der niedergelassenen Ärzte.

Die Berliner Ärzte drohen mit groß angelegten Protesten und Streiks. Mit der einwöchigen Schließung von rund 30 Röntgen-Praxen in den Ostbezirken beginnt heute eine Streikwelle der niedergelassenen Ärzte. In der Woche vom 13. bis 20. Oktober streiken die knapp 50 Radiologen in den Westbezirken. Ende Oktober sollen sich nach dem Willen der Berufsverbände alle übrigen 6000 Fach- und Allgemeinärzte anschließen. Mit diesen so genannten Aktions-Wochen wollen die Mediziner gegen aus ihrer Sicht zu niedrige Honorare protestieren.

Krankenkassen verstehen die Streikdrohungen von Kassenärzten als Verstöße gegen den Versorgungsauftrag und wollen Mediziner verklagen, die Patienten abweisen. "Der Streik ist rechtswidrig", betont beispielsweise die BKK Berlin. Von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) heißt es dagegen, die Versorgung der Bevölkerung bleibe gewährleistet. Der KV-Gesundheitslotsendienst könne über geöffnete Praxen Auskunft geben (Telefon: 31003 222/-243/-333). Ab dem 30. Oktober werde ein zusätzlicher Telefon-Service eingerichtet.

Die Radiologen seien von kontinuierlichen Honorareinbußen am stärksten betroffen, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbandes der Deutschen Radiologen, Hanjörg Meier-Duis. So werde eine Röntgenuntersuchung der Lunge seit Jahren konstant mit 450 Punkten von der Kasse vergütet. Aber der Punktwert sank von 31,50 Mark (1998) auf 16,34 Mark (2000). Gleichzeitig seien die Investitionen für Röntgen-Geräte erheblich gestiegen. "Schwer haben es Praxen im Osten, die erst seit 1991 neue Geräte angeschafft, aber noch nicht abbezahlt haben", sagt Meier-Duis. Kernspin- und Computertomograph, Mammographie- und normale Röntgengeräte kosten insgesamt 3,5 Millionen Mark. Drei von berlinweit 90 Praxen hätten in diesem Jahr schon Pleite gemacht, sehr viel mehr stünden vor dem Bankrott. Inhaber kleinerer Praxen, in denen nicht mehrere Ärzte Großgeräte gemeinsam nutzen könnten, kämen oft nicht einmal auf ein Nettoeinkommen von 3000 Mark im Monat.

Die in Neukölln niedergelassene HNO-Ärztin Jeanette Urzendowsky will sich dem "Streik" Ende Oktober anschließen. Mit den aktuellen Punktwerten könne sie ihre 1996 gegründete Praxis "nicht wirtschaftlich" betreiben, sagt sie. "16 Mark netto Stundenlohn" bringe ihr ein guter Arbeitstag. "Vor etwa zehn Jahren wurde ein Punkt mit 10 Pfennigen vergütet, jetzt sind es nur noch 5,3 Pfennig", sagte Urzendowsky. Neue Technik anzuschaffen, einen Laser etwa, sei für sie undenkbar. Ein Resultat der Honorarabsenkungen seien "Durchschleuser-Praxen" mit einer medizinisch und ethisch nicht mehr vertretbaren verschlechterten Behandlung der Patienten, warnt die Ärztin.

Ab 30. Oktober wollen Ärzte aller Fachrichtungen eine Woche nur einen Notdienst aufrechterhalten. Der KV-Vorsitzende Manfred Richter-Reichhelm rechnet damit, dass auch Allgemeinärzte mobilisiert werden - obwohl diese von der Gesundheitsreform gegenüber Fachärzten begünstigt werden. Für die "Hausärzte" seien die Punktwerte aber nur in der letzten Zeit nicht weiter abgesenkt worden. Über die Teilnahme am Streik entscheiden Urabstimmungen.

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