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Bis hierhin und nicht weiter. An diesem Zaun entzündete sich der Streit um den Park der Villa Henckel. Im Hintergrund das in Bauplanen eingepackte historische Gebäude.

© ZB

Streit am Potsdamer Pfingstberg: Der Zorn des Zaunkönigs

Nach den Dauerprotesten gegen die Umzäunung des Parks der Villa Henckel am Potsdamer Pfingstberg wird nun befürchtet, dass sich Springer-Chef Mathias Döpfner zurückzieht. Er will die verwilderte grüne Oase nach historischen Vorbildern auf eigene Kosten wieder herrichten lassen. Als Gegenleistung möchte er den Park an Wochenenden für sich alleine nutzen.

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Protest funktioniert bisweilen auch mit Poesie, gerade in Potsdam. Erst am Freitagabend wurde das vor dem Stadthaus vielstimmig bewiesen: „Lieber Oberbürgermeister, dieser Zaun ist Scheibenkleister.“ Etwa 20 Protestler, darunter viele Kinder, hatten sich versammelt, um ihren Unwillen gegen die seit einigen Wochen in Brandenburgs Landeshauptstadt heiß diskutierte Absperrung am Pfingstberg zu bekunden. Der leicht humorige Reim täuscht freilich darüber hinweg, dass das Klima der Zaundebatten zunehmend giftiger wird. Es gab auch schon ganz andere Sprüche. „Braucht Herr Döpfner wirklich so viel Auslauf?“, ist einer davon.

Der Zaun erbost die Anwohner

Der umstrittene Maschendraht umzäunt den verwilderten Park der Villa Henkel am Pfingstberg, mit dem die Stiftung Preußische Schlösser und Villenbesitzer Mathias Döpfner, Chef des Springer-Konzerns, wie berichtet, Großes vorhatten: denkmalgerechte Sanierung auf Döpfners Kosten, im Gegenzug private Nutzung des Parks am Wochenende – eine Kombination, die nach dem Widerspruch der Stadt zwar bereits wieder hinfällig ist. Aber der Zaun mit den Schildern „Betreten der Baustelle verboten“ steht weiterhin und erbost die in der Bürgerinitiative „Offener Pfingstberg“ zusammengeschlossenen Anwohner, mit allen sich reimenden und ungereimten Folgen.

Springer-Chef fühlt sich als Prügelknabe

Mittlerweile nämlich scheint nicht mehr ausgeschlossen, dass Döpfner nach dem Dauerprotest der vergangenen Wochen bald die Nase voll hat und sein Angebot zurückzieht. Von ihm selbst war zwar auf Nachfrage kein Kommentar zu erhalten, doch soll ihn die anhaltende Kritik hart getroffen haben. „Er dachte, er macht etwas Gutes und wird dafür nun persönlich angegriffen“, heißt es aus seinem Umfeld. Döpfner fühle sich in der Debatte inzwischen als Prügelknabe – auch weil es an Unterstützung von offizieller Seite mangele.

Dass das Projekt auf der Kippe steht, wollte in dieser Woche noch niemand offiziell bestätigen. Wie ernst die Lage ist, wird aber an einer gemeinsamen Pressemitteilung von Schlösserstiftung Stadt und Land deutlich. Es gebe „noch eine Chance, für Potsdam ein Stück Unesco-Welterbe wiederzugewinnen. Die sollten wir nutzen“, schreibt darin Stiftungschef Hartmut Dorgerloh. Vereinbart sei, dass „eine Lösung für die Gestaltung des Parks gesucht wird, die von allen Beteiligten vertreten werden kann.“

Potsdames Stadtpolitiker reagieren alarmiert

Dorgerloh, Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) und Brandenburgs Kulturministerin Sabine Kunst (parteilos) dankten Döpfner ausdrücklich für sein Engagement, das man schätze und würdige – auch dies wohl ein Indiz, wie ernst die Lage ist. Potsdams Stadtpolitik reagiert ebenfalls alarmiert. SPD-Fraktionschef Mike Schubert nannte Döpfners Engagement einen „Gewinn für die Stadt“, bei dem dieser hoffentlich bleibe. CDU-Fraktionschef Matthias Finken erklärte, Potsdam benötige Investoren wie Döpfner, die alte Villen wieder restaurierten. Die Schuld für die aktuelle Lage gab er der Schlösserstiftung, die sich fragen lassen müsse, „ob sie nicht durch geschicktes Handeln die Situation hätte vermeiden können.“ Linke-Kreischef Sascha Krämer wurde noch deutlicher: Die Informationspolitik der Stiftung bei dem Vorhaben sei intransparent gewesen, Dorgerloh habe auf einen „Beglückungseffekt gesetzt, der kritische Nachfragen verhindern sollte“. Grünen-Fraktionschef Peter Schüler erklärte, ein Rückzug Döpfners wäre bedauerlich, aber angesichts der Anfeindungen verständlich.

Krisengespräch mit Döpfner geplant

Er sei „außerordentlich besorgt“ darüber, dass die Situation derart eskaliert sei, sagte Jakobs. Er, Dorgerloh und Kunst erhoffen sich nun viel von einem Krisengespräch, bei dem Döpfner von einem Rückzug abgebracht werden soll. Das freilich kann erst in der übernächsten Woche stattfinden: Jakobs reist erst nach Sansibar, will dort eine Klimapartnerschaft schließen.

Es ist nicht das erste Engagement Döpfners in Potsdam, der dort seit 1998 lebt. Ihm ist zu verdanken, dass die Villa Schöningen an der Glienicker Brücke nicht länger dem Verfall preisgegeben blieb, sondern saniert und zu einem Kunst und Geschichtsmuseum umgebaut wurde, das mit seinen Ausstellungen zugleich ein gesellschaftlicher Treffpunkt in der Berliner Vorstadt wurde. Auch die Villa Henckel wäre ohne Döpfner wohl weiter ein trostloser Sanierungsfall. Der Springer-Mann hatte sie der Stadt abgekauft, einen Teil des Villenparks gleich mit, und beides aufwendig saniert. Die denkmalgerechte Entwilderung des restlichen Parks, immerhin sechs Hektar groß, wollte sich Döpfner eine siebenstellige Millionensumme aus seiner Privatschatulle kosten lassen, zu dem Projekt gehört auch die vom Verfall bedrohte Villa Schlieffen, in der er seine private Kunstsammlung öffentlich ausstellen will.

Stiftung will das Areal auch aus Sicherheitsgründen absperren

Ohne die Vereinbarung zwischen ihm und der Stiftung, er könne den Park am Wochenende privat nutzen, hätte es den Ärger vielleicht gar nicht gegeben. Eine Regelung, die ohnehin mit dem Bebauungsplan „nicht vereinbar“ sei, wie Jakobs sagte.Aber nun hat sich eben der Protest formiert, wird für den Abbau des Zauns demonstriert, den die Stiftung dem Vernehmen nach stehen lassen will, selbst wenn Döpfner abspringt. Ein Gutachter habe bei einer so genannten Gefährdungsbeurteilung gefordert, dass das Areal abgesperrt werden müsse,  um „die Verkehrssicherheit zu gewährleisten und Gefahren abzuwenden“.

Fall erinnert an frühere Konflikte mit Mäzenen

Der Konflikt erinnert an frühere Probleme, denen sich gebewillige Mäzene in Potsdam gegenübersahen. So legte der Software-Milliardär Hasso Plattner sein Projekt einer Kunsthalle an der Langen Brücke wieder zu den Akten. Der befürchtete Abriss des Hotels Mercure an dieser Stelle löste heftige Proteste aus, bis Plattner hinwarf. „Dieses Trauerspiel samt der verheerenden Außenwirkung wird die Stadt noch lange verfolgen“, sagte damals der TV-Journalist und Potsdamer Günther Jauch, selbst langjähriger Mäzen in der Stadt. Plattner tat sich dann mit dem Unternehmer Abris Lelbach zusammen und errichtet nun das Palais Barberini an der Alten Fahrt. Ende 2016 soll es fertig sein. Dort sollen neben Plattners Sammlung ostdeutscher Kunst internationale Ausstellungen zu sehen sein.

Millionen steckte auch Rechtsanwalt Jörg Zumbaum 2007 in die Restaurierung der Villa Gericke. Als er fertig war, warf ihm die Denkmalschutzbehörde vor, Bäume gefällt sowie einen historischen Weinberg abgetragen zu haben. Resultat: Zumbaum sagte eine weitere Millioneninvestition in Potsdam ab.

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