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Gegen Finanzsenator Ulrich Nußbaum liegt eine Unterlassungserklärung vor.

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Streit in der Berliner Koalition: Regieren an der Schmerzgrenze

Hält die Koalition den öffentlichen Rechtsstreit der Senatoren Thomas Heilmann und Ulrich Nußbaum aus? Vorerst ja, sagen Betroffene und Experten. Es wäre jedoch nicht das erste Mal, dass es in Berlin zu vorzeitigen Neuwahlen kommt.

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So etwas hat es in Berlin noch nicht gegeben – ein Justizsenator, der mit einer Unterlassungserklärung gegen den Finanzsenator vorgeht und ihm verbieten will, kritische Äußerungen zu wiederholen. Droht die seit Monaten angespannte Stimmung in der rot-schwarzen Koalition angesichts des Streits um das Gasnetz und angebliche Interessenkonflikte des Justizsenators vollends zu eskalieren? Steht gar ein Koalitionsbruch bevor, wie es ihn in Berlin zuletzt in den Jahren 2001 und 1990 gegeben hat?

„Einer der Grundsätze für Koalitionen ist, dass die Chemie stimmen muss“, sagt der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer von der Freien Universität, der sich immer wieder mit der Dynamik politischer Bündnisse beschäftigt hat. Da dies offenbar im Berliner Senat nicht mehr der Fall sei, „sieht es für die Koalition schlecht aus“. Nun sei die Frage, ob Klaus Wowereit und Frank Henkel noch mäßigend auf die Hauptakteure des aktuellen Konflikts einwirken können – und inwieweit sie das überhaupt wollen.

Im Vergleich zu gescheiterten Berliner Koalitionen der Vergangenheit hält Neugebauer die aktuelle Auseinandersetzung allerdings noch für kontrollierbar, auch, weil den Koalitionspartnern wirkliche Alternativen zum jetzigen Bündnis fehlen. So habe Klaus Wowereit 2001 das Bündnis mit dem damaligen größeren Koalitionspartner CDU aufgekündigt, weil er sich im Zuge der Bankenaffäre eine Stärkung seiner Partei bei Neuwahlen erhoffte – und auch weil er so erfolgreich die Hauptverantwortung für die von Akteuren beider Parteien mitverantwortete Affäre auf die CDU abwälzen konnte. Das sei ein „Befreiungsschlag“ der SPD gewesen, die damals sonst mit in den Abgrund gezogen worden wäre, wie Neugebauer sagt. Und beim Bruch der rot-grünen Koalition unter Walter Momper im Jahr 1990 sei der Knackpunkt vor allem die Ambivalenz der Grünen gewesen, die gleichzeitig Regierung und Opposition sein wollten.

CDU "entsetzt und fassungslos"

Im Vergleich dazu seien die aktuellen Auseinandersetzungen in Senat und Koalition noch kontrollierbar, sagt der Politikwissenschaftler. Zumal sich derzeit weder die Berliner SPD noch die CDU bei einer eventuellen Neuwahl als sicherer Sieger fühlen dürfen. „Derzeit könnte keiner der beiden Partner von einem Koalitionsbruch profitieren“, sagt Neugebauer.

Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister sei geschwächt, ein vielversprechender Nachfolger in der SPD nicht in Sicht. Und der CDU-Landesvorsitzende und Innensenator Frank Henkel und seine Partei haben zwar in den vergangenen Jahren viele Sympathiepunkte gewonnen und in Meinungsumfragen aufgeholt, für eine Neuwahl sei die Partei aber noch nicht stark genug. Von fehlenden alternativen Koalitionspartnern ganz zu schweigen.

„Eine Katastrophe“ sei der ganze Vorgang, heißt es in der CDU-Fraktion. Man verfolge das Agieren beider Senatoren „entsetzt und fassungslos“, sagt ein Abgeordneter, der Konflikt erinnere an einen Kindergarten. Andere Abgeordnete sehen den Streit der beiden Senatoren hingegen „relativ entspannt“, wie ein CDU-Fraktionsmitglied sagt. „Das wird sich schon wieder einrenken.“ Zu früheren Zeiten unter Eberhard Diepgen habe es derartige Konflikte in der Koalition viel öfter gegeben. „Das ist ein reinigendes Gewitter.“ Wo „zwei Alpha-Tiere“ aufeinandertreffen, da gebe es eben auch mal derartige Ausfälle. Auch in der SPD hofft man, dass sich die Wogen wieder glätten und will keine dauerhafte Gefährdung des Bündnisses mit der Union erkennen. Die Berliner CDU-Spitze bemüht sich jetzt darum, den Koalitionskonflikt nicht weiter eskalieren zu lassen. Es sei nötig, dass zwei so profilierte und wichtige Senatoren ihre eigenen Interessen zurücknähmen und stattdessen wieder den Gesamtinteressen der Stadt dienten, sagte ein führender Christdemokrat.

Kopfschütteln über Heilmann und Nußbaum

Beide Fraktionschefs, Florian Graf (CDU) und Raed Saleh (SPD), wollten sich zu dem in der Berliner Nachkriegsgeschichte wohl einmaligen Vorgang nicht äußern. Aber sowohl in der SPD wie auch im Roten Rathaus wird signalisiert, dass man den Streit möglichst schnell schlichten wolle.

Auch bei den Sozialdemokraten schütteln viele Abgeordnete und Regierungspolitiker nicht nur den Kopf über Heilmann, sondern auch über den eigenwilligen Nußbaum, der sich immer wieder mit seinen Senatskollegen anlege.

Die Verantwortungsträger in der rot-schwarzen Koalition sind jetzt erst einmal froh, dass Anfang Juli die parlamentarische Sommerpause beginnt.

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