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Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky ist in Sachen Integration ein Mann des klaren Wortes – und dafür auch in der SPD umstritten. Der Parteifreund, Berlins Regierender Klaus Wowereit, geht das Thema diplomatischer an.

© dpa/Kumm

Streit mit der Integrationsbeauftragten: Buschkowsky bleibt bei seiner Meinung

Neuköllns Bürgermeister Buschkowsky streitet mit der neuen Integrationsbeauftragten Monika Lüke über seine Zuwanderungsthesen. Lüke findet Buschkowskys Buch "Neukölln ist überall" zu negativ, die konkreten Projekte in dem Bezirk aber vorbildhaft.

„Neukölln ist überall“ verkauft sich wie geschnitten Brot. Von der Politikschelte, geschrieben von Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD), wurden bislang 150 000 Exemplare ausgeliefert. Das Buch stand wochenlang auf der Bestsellerliste des Spiegel. „Das sind sehr, sehr gute Zahlen“, sagt eine Sprecherin des Ullstein-Verlags. Auf der Seite des Onlinehändlers Amazon sind 135 Rezensionen von Lesern abrufbar, 106 verleihen dem Buch die Bestnote: fünf Sterne.

Die neue Integrationsbeauftragte des Senats, Monika Lüke, ist dennoch unzufrieden mit dem Werk. Im Interview mit dem „Focus“ erklärte sie, Buschkowsky stoße Einwanderer vor den Kopf und trage selbst zur Abschottung sogenannter Parallelgesellschaften bei. Seine populäre These, Multikulti sei gescheitert, sei schlicht falsch. In Berlin lebten knapp eine Million Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, von denen 80 Prozent die deutsche Staatsangehörigkeit hätten.

Heinz Buschkowsky reagierte prompt. Er empfiehlt Lüke, „die zahlreichen zigfach preisgekrönten Neuköllner Integrationsprojekte zur Kenntnis zu nehmen“, und schreckt auch nicht vor beißendem Sarkasmus zurück. „Auch die Integration in eine neue berufliche Tätigkeit fällt immer dann erheblich leichter, wenn die Basics verstanden werden“. Dabei spielt Buschkowsky auf Lükes Zuwanderungszahlen an. Die sind laut Buschkowsky nämlich schlicht falsch.

Nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg, die Buschkowsky zitiert, lebten am 30. Juni 2012 exakt 437 691 „Menschen mit Migrationshintergrund und deutscher Staatsangehörigkeit“ in Berlin, „ferner gab es 486 709 Ausländer in der Stadt“. Daraus ergebe sich ein Anteil von Migranten mit deutschem Pass von 47 Prozent und nicht 80 Prozent, wie Lüke behauptet hatte. In diesem Punkt hat Buschkowsky recht.

Aber der Bezirksbürgermeister legt noch eins drauf. Nicht alle Ausländer, die sich in Berlin aufhalten, hätten auch eine „Einwanderungsabsicht“. Studenten, Botschaftspersonal, Saisonarbeiter und andere würden eben nur temporär nach Berlin kommen. Auch diese Vermengung von Migranten und Zugereisten ohne feste Absichten sei eine „fachliche Unsauberkeit“.

„Ich will keinen öffentlichen Streit mit Herrn Buschkowsky ausfechten“

Die neue Integrationsbeauftragte Monika Lüke war vorher Geschäftsführerin bei Greenpeace Deutschland.
Die neue Integrationsbeauftragte Monika Lüke war vorher Geschäftsführerin bei Greenpeace Deutschland.

© dapd/Willnow

Warum reagiert der sonst dickfellige Buschkowsky diesmal so auffallend dünnhäutig? Die gewaltige Kaskade der Kritik nach dem Erscheinen des Buches Ende September hatte der Bezirksbürgermeister eher schulterzuckend über sich ergehen lassen. „Die organisierte Empörung ist, wie erwartet, sofort über mir zusammengeschlagen“, sagte er damals im Interview mit dem Tagesspiegel. Die wichtigste Antwort gibt er auf Nachfrage selbst: Eine „gewisse Enttäuschung“ über Lüke könne er nicht verhehlen. „Für mich ist es die gleiche Gangart wie die ihres Amtsvorgängers. Sie stimmt im Übrigen auch nicht mit den Absprachen überein, die wir bei einem persönlichen Gespräch getroffen haben.“ Welche das sind, sagt Buschkowsky nicht. Wahrscheinlich eine Art Nichtangriffspakt.

Lükes Vorgänger Günter Piening hatte sich zur integrationspolitischen Debatte sehr zurückhaltend geäußert, eher wissenschaftlich neutral und politisch korrekt als hemdsärmelig wie Buschkowsky. Und Piening hatte von sozialen Problemen gesprochen, wo Buschkowsky vor allem auf kulturelle Unterschiede abhob. Migrantenverbände kritisierten, Piening bastele mit Akribie an Partizipationsgesetzen herum, lasse die eigentlich brisanten Themen aber links liegen.

Lüke zollte Piening bei ihrem Amtsantritt großen Respekt. Und auch im Focus-Interview spricht sie von Chancengleichheit, Partizipation und sozialen Problemen. Das Wort Integration mag sie nicht besonders, sagt sie. „Die Migranten sind nicht die anderen – das sind wir.“ Aber gibt es zwischen Zehlendorfer Villenbewohnern mit Schillerbüste im Garten und Neuköllner Großfamilien im 3-Zimmer-Altbau wirklich ein Wir?

Lüke, 43, vormals Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, ist erst seit vier Wochen im Amt. Damit genießt sie noch die informelle Schonfrist von 100 Tagen. Eigentlich möchte sie sich nicht weiter zu Buschkowskys Thesen äußern, lässt sie ausrichten, dann tut sie es doch.

„Ich will keinen öffentlichen Streit mit Herrn Buschkowsky ausfechten.“ Sein Buch habe sie – anders als vom Autor unterstellt – sehr wohl gelesen. Was sie daran störe, sei der „negative Duktus“, das sei einfach nicht motivierend. Konkrete Neuköllner Projekte wie Stadtteilmütter und Integrationslotsen findet sie dagegen vorbildhaft. Frühkindliche Bildung sei extrem wichtig. „Berlin ist da schon ziemlich weit. Ich setze mich jetzt gleich aufs Fahrrad und fahre nach Neukölln, um mir die Projekte vor Ort anzuschauen.“

Buschkowsky verteidigt derweil seine Buchthesen, ein ums andere Mal: „Ich beschreibe die Dinge in unserer Stadt, die jeder sehen und hören kann, dessen Sinnesorgane gesund sind. Der Neuköllner Bürgermeister ist nicht das Integrationsproblem.“

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