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Streit um Christian Klar: Vergeben und vergeigen

Claus Peymann wollte sein Jobangebot an Christian Klar als Akt der Nächstenliebe verstanden wissen. Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt meint, dass der Ex-Terrorist vom Intendanten des Berliner Ensembles hinters Licht geführt wurde.

Mittwoch, 16 Uhr 31, Schiffbauerdamm: Ein hagerer Mann in Jeans, Lederjacke und Weste, um die Schulter eine Stofftasche, auf dem Kopf eine blaue Mütze, verlässt durch einen Nebeneingang das Berliner Ensemble. Auf seiner Brille spiegelt sich der Blitz einer Kamera. Donnerstagabend: Die Frühausgabe der „B. Z.“ vom 9. Januar erscheint mit einem seiten großen Foto, darauf jener hagere Mann; im Hintergrund ragt düster das Berliner Ensemble in den Winterhimmel, im Vordergrund ruft eine weiße Zeile: „Klar da!“

Freitagvormittag: Das BE verbreitet eine Erklärung „zur Absage des Praktikums von Christian Klar“. Der Ex-Terrorist befürchte, dass durch sensationslüsterne Berichterstattung und die Belagerung des BE durch Paparazzi „das Theater, dessen Direktor Claus Peymann und er selbst Schaden nehmen könnten“. Die angestrebte Normalität, heißt es in der Erklärung des Theaters weiter, erscheine unter diesen Umständen nicht möglich; die von Lessing postulierte Idee von Vergebung und Verzeihen bleibe ein Traum. Alles in allem: eine gelungene Aufführung. Hauptdarsteller und Komparsen haben sich gut inszenieren lassen.

Die Bilder und Texte in der „B. Z.“ sind ohne Hinweise auf Fotograf und Autor erschienen, denn der Veröffentlichung wird ziemlich sicher eine juristische Aufführung folgen. Klar hatte nach seiner Freilassung aus der Haft kurz vor Weihnachten die Veröffentlichung von Fotos untersagen lassen. Er werde nicht öffentlich auftreten. Doch Peymann hatte ihn schon 2004 mit seinem theatralisch verkündeten Praktikumsangebot auf die Bühne gelockt, obwohl Klar offiziell als Techniker dahinter agieren sollte.

Der Direktor, der sein Angebot an den Ex-Terroristen, verurteilt wegen neunfachen gemeinschaft lichen Mordes, als einen Akt der Nächstenliebe verstanden wissen wollte, hat Klar hinters Licht geführt – und damit den grellen Blitzen der Fotografen erst recht ausgesetzt. Wenn es dem Theatermann ernst damit gewesen wäre, dem unter Bewährung Stehenden zurück ins freie Leben zu helfen, dann hätte er diskret handeln müssen, oder noch besser: gar nicht. Aber beides liegt ihm nicht.

Peymann sucht zwanghaft nach Belegen für Thesen, die entweder absurd sind oder ganz selbst verständlich. Bewiesen hat er, was jeder weiß: Boulevardzeitungen möchten Ex-Terroristen fotografieren. Unbeweisbar bleibt, dass die ganze Gesellschaft, die sich rechts von Peymann aufhält, wie eine Boulevardzeitung denkt.

Dass sich ein Praktikum oder auch nur ein Besuch bei Peymann nicht camouflieren lässt, hätte Klar wissen können. So aber wirkt er wieder einmal mindestens ungeschickt. 2007 vermasselte er sich eine vorzeitige Haftentlassung mit einem kämpferischen Grußwort an die Rosa-Luxemburg-Konferenz. Dort schrieb er auch über PR-Spezialisten, die Ideologien verbreiten, mit denen alles verherrlicht wird, was den Menschen darauf reduziert, benutzt zu werden. An Peymann hat er dabei wohl nicht gedacht. Das war ein Fehler.

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