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Berlin: Streit um den Raum der Stille

Wollen Besucher eher Kontemplation oder Information nach dem Mahnmal-Besuch? Gestern war offizieller Baubeginn

Zwei Bagger auf Ketten, zwei Radlader, zwei Baustellentoiletten, Rohre und Betonplatten: Wären nicht die versuchsweise aufgestellten, meterhohen Stelen aus Beton, sähe es auf dem Gelände des HolocaustMahnmals so aus wie auf jeder anderen Baustelle. Doch weil die Bagger nach manchen Verzögerungen nun endlich baggern und der Auftrag für die Herstellung der Betonstelen vergeben ist, konnte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse am Freitagvormittag von einem „fröhlichen Baubeginn“ auf dem Areal an der Ebertstraße sprechen. Es soll der letzte Baubeginn sein. Nun wird der Boden planiert; in der südöstlichen Ecke des Grundstücks sollen die Fundamente für den „Ort der Information“ gelegt werden, dessen Rohbau Ende kommenden Jahres stehen soll.

Derweil soll die Wilhelmshavener Firma Geithner die schweren Stelen liefern und mit Hilfe zweier Kräne aufstellen. Die 2700 Betonquader sollen in einem Zweigwerk bei Berlin hergestellt werden, 10 Millionen Euro sind dafür veranschlagt. Von einer kleinen Tribüne am westlichen Rand der Baugrube kann man den Fortschritt beobachten.

Thierse erwartet das Ende der Bauarbeiten für das Frühjahr 2005. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas mitsamt dem „Ort der Information“ könnte am 60. Jahrestag der Kapitulation Nazideutschlands eröffnet werden. Um den Ort der Information gibt es weiter Auseinandersetzungen im Stiftungskuratorium. Es geht um die Frage, wie viel Information in diesem Ergänzungsbau zum Denkmal geboten werden soll. Oder anders: Soll auch der „Raum der Stille“ - einer von vier in dem unterirdischen Gebäude vorgesehenen Räumen - seinen Besuchern Information bieten? Oder soll er bleiben, wie er einmal gedacht war - ein Ort, an dem die Besucher das wahrnehmen sollen, was sie beim Gang durch das Stelenfeld gedacht und gefühlt haben, ein Ort der Kontemplation?

Zwei Fraktionen gibt es im Kuratorium der Stiftung: Die eine ist dafür, der ursprünglichen Idee treu zu bleiben und der Kontemplation den Vorzug zu geben. Der Erinnerung an die Namen der Opfer, ihre Herkunft, auch an die Orte Europas, an denen Juden ermordet und mit industriellen Methoden vernichtet worden sind, dienten schließlich die anderen Räume im „Ort der Information“, sagen die Anhänger der ursprünglichen Planung. Dem hält die andere Fraktion entgegen, dass die 800 Quadratmeter Ausstellungsfläche in dem unterirdischen Bau ohnehin nicht übermäßig viel Platz für den größten Völkermord in der Geschichte darstellen. Sie wollen, dass der Raum der Stille zu einem Raum wird, in dem Besucher an das erinnert werden, was einzelne Opfer berichtet haben. wvb

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