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Hat das Babylon eine Zukunft? Am Freitag wurde Geschäftsführer Tobias Hackel abberufen. Der Streit um das traditionsreiche Kino zieht sich seit Monaten hin und hatte einen Höhepunkt, als der andere Geschäftsführer Timothy Grossman im Oktober Davidsterne an die Fassade sprühte.

© Gregor Fischer/dpa

Streit um Kino in Berlin-Mitte: Kino Babylon trennt sich von Geschäftsführer

Einer der beiden Geschäftsführer des Kinos Babylon hatte einen Insolvenzantrag gestellt - nun wurde er von den Geschäften entbunden. Timothy Grossman ist jetzt alleiniger Geschäftsführer.

Von
  • Ronja Ringelstein
  • Sandra Dassler

Die Flyer am Eingang des Babylon kündigen schon die „IndoGerman Filmweek“ im Februar nächsten Jahres an. Dabei ist derzeit völlig unklar, ob das traditionsreiche Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz überhaupt noch eine Zukunft hat. Seit Monaten streiken dort die Mitarbeiter. Und der Streit zwischen den beiden Geschäftsführern und Gesellschaftern Timothy Grossman mit 51 Prozent und Tobias Hackel mit 49 Prozent nimmt inzwischen groteske Züge an. Am Freitag teilte das Unternehmen mit, dass Grossman nun der alleinige Geschäftsführer sei.

Tobias Hackel sei in einer Gesellschafterversammlung am heutigen Tag als Geschäftsführer abberufen worden, hieß es. Grossman habe die Gesellschaft außerdem mit finanziellen Mitteln in Höhe von 50 000 Euro ausgestattet, um die entstandenen Zweifel an der finanziellen Lage des Unternehmens auszuräumen.

Hackel hatte einen Insolvenzantrag gestellt

Wie berichtet hatte Tobias Hackel am 11. November dieses Jahres nach eigenen Angaben beim Amtsgericht Charlottenburg einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren über das Vermögen der Neue Babylon Berlin GmbH gestellt. Dem Tagesspiegel hatte Hackel in der Woche darauf gesagt, er sei zu diesem Schritt verpflichtet, weil sich die Verbindlichkeiten auf mehr als 150 000 Euro belaufen sollen. Das Gericht will sich aus Datenschutzgründen derzeit nicht zu dem Vorgang äußern.

Grossman meint, der Antrag sei unzulässig

„Die Angaben über die Verbindlichkeiten stimmen nicht“, teilte Timothy Grossman hingegen mit. Die von ihm beauftragte Kanzlei habe dem Amtsgericht Charlottenburg in einer Stellungnahme dargelegt, dass das Unternehmen über ausreichende finanzielle Mittel verfüge, um sämtliche Verbindlichkeiten zu erfüllen. Es sei auf öffentliche Förderung angewiesen und so könne es gelegentlich auch zu Zahlungsstockungen kommen. Das sei nichts Ungewöhnliches. Außerdem habe Hackel bis zur Stellung des Insolvenzantrages "nicht einmal Zweifel an der Finanzlage des Unternehmens geäußert" und den Antrag "ohne jede Vorankündigung für das Babylon eingereicht".

500-Plätze-Saal war ausverkauft

Wegen dieses Alleingangs sehe sich Timothy Grossman nun gezwungen, Tobias Hackel vom Geschäftsführeramt zu entbinden. Das sei wegen der Mehrheitsverhältnisse möglich. "Ich bin Mehrheitsgesellschafter und habe eine Verantwortung für das Unternehmen. Diese Verantwortung musste ich nun wahrnehmen", sagt Grossman. Es sei ihm unbegreiflich, wie Hackel Insolvenz beantragen könne, zumal letzte Woche der 500-Plätze-Saal des Hauses vier Mal ausverkauft gewesen sei.

Viele Veranstaltungen abgesagt

Tobias Hackel verweist hingegen auf verschiedene Absagen von Veranstaltungen und auf hohe Kosten für arbeitsrechtliche Verfahren. Die Babylon-Mitarbeiter streikten seit dem 23. Juli dieses Jahres unbefristet für mehr Lohn, sagt Andreas Köhn von der Dienstleistungsgesellschaft Verdi. Weil sie Flugblätter mit Tarifinformationen verteilten, habe Timothy Grossman drei von ihnen Abmahnungen erteilt. „Das ist ziemlich schräg“, sagt Köhn: „Das waren Informationen der Gewerkschaft. Das ist so, als würde ich meinen Zusteller für das, was in der Zeitung steht, verklagen.“

Mitarbeiter wurden verklagt

Grossman habe, so Köhn, teure Anwälte engagiert, die mindestens drei Mitarbeiter des Babylon wegen angeblich unwahrer Tatsachenbehauptungen und wegen des Erweckens falscher Eindrücke verklagten. Das Arbeitsgericht habe zwei dieser Verfahren abgewiesen, das dritte wurde von Grossmans Anwälten zurückgezogen. Dass durch die Arbeitsgerichtsverfahren jetzt möglicherweise hohe Kosten anfallen, sei also nicht die Schuld der Gewerkschaften, sagte Köhn.

Umstrittene Aktion mit Davidsternen

Wegen der Streiks waren einige Veranstalter auf andere Orte für ihre Programme ausgewichen. Grossman hatte daraufhin vor einigen Wochen Davidsterne an die Türen des Kinos gesprüht und über dem Haupteingang ein Plakat mit der Aufschrift „Deutsche! Wehrt euch! Kauft nicht im Babylon – Masl tov!" gehängt. Mit dieser „Kunstaktion“ wolle er sich gegen eine Diffamierungskampagne seiner Mitarbeiter wehren, hieß es. Auch von Antisemitismus war die Rede. Doch etliche Künstler und Politiker distanzierten sich von Grossman. So sagte der Sänger und Autor Thees Uhlmann eine Lesung ab und Berlins Kulturstaatssekretär Tim Renner sprach von einer „hochgradig geschmacklosen Aktion“.

Senat will Gerichtsentscheidung abwarten

Der Senat zahlt dem Kino für sein zum Teil kommunal ausgerichtetes Programm viel Geld, aktuell sind es 358 000 Euro jährlich, wovon ein Großteil für die Miete des Kinos verwendet wird. Die Kulturverwaltung werde deshalb den Verlauf des beantragten Insolvenzverfahrens genau beobachten, sagte Sprecher Günter Kolodziej: „Bislang besteht aber kein Grund, zuwendungsrechtlich tätig zu werden. Nach der Entscheidung durch das Gericht wird die Kulturverwaltung die Prüfung aufnehmen.“ Für Marcus Herold, dem Geschäftsführer der Tränenpalast GmbH, ist das zu wenig. Erst letzte Woche habe auch Philipp Trägert (Fil) sein Weihnachtsspecial „Dawn of the Dutt“ wegen der Streiks vom Babylon in die Urania verlegt, sagt er: „Es wäre gut, wenn der Kulturstaatssekretär endlich dafür sorgt, dass das Babylon als eine für die freie Szene so wichtige Spielstätte bald wieder uneingeschränkt zur Verfügung steht“.

"Der Senat hält sich an Recht und Gesetz", sagt hingegen Günter Kolodziej.

Auch wenn das Vertrauensverhältnis der beiden Gesellschafter zerstört, sei bleibe der Spielbetrieb unberührt", teilte das Kino mit: "Wir müssen unsere geschäftlichen Tätigkeiten trennen, damit wir uns voll um die Kulturarbeit im Babylon kümmern können", sagt Grossman.

Tobias Hackel möchte sich derzeit nicht zu den Vorgängen äußern. In den vergangenen Tagen hatte er allerdings immer wieder darauf verwiesen, dass er den Insolvenzantrag aus Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Babylon gestellt habe. Schließlich ginge es auch ihm um die Zukunft der Spielstätte. Deshalb habe er bereits seit Beginn der Mitarbeiter-Streiks Grossman immer wieder zur finanziellen Situation befragt - ohne je eine konkrete Antwort zu erhalten.

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