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In Gewahrsam. Die Männer wurden abgeführt, mussten sich mit gereckten Armen an Autos lehnen, wurden abgetastet. Foto: privat

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Update

Streit um Residenzpflicht in Berlin: Polizei bringt neun Flüchtlinge nach Magdeburg

Neun der elf Flüchtlinge vom Breitscheid-Platz wurden von der Polizei nach Sachsen-Anhalt zurück gebracht - wegen Verstoßes gegen die Residenzpflicht. Von den zwei übrigen werden die Fingerabdrücke noch geprüft

Die Berliner Polizei hat neun der elf Flüchtlinge, die am Breitscheid-Platz eine Mahnwache abhielten, zurück nach Magdeburg gebracht. Um 11 Uhr war die Polizei mit 120 Beamten an der Gedächtniskirche erschienen, um die Flüchtlinge in Gefangenen-Transportern mit auf die Wache nach Tempelhof zu nehmen. Diese hatten vor kurzem im RBB erklärt, nicht in Berlin zu residieren, sondern in Sachsen-Anhalt. Dies bestätigte sich auf der Wache bei neun der Männer, teilt Polizeisprecher Stefan Redlich auf Anfrage mit. Damit verstoßen sie gegen ihre Residenzpflicht, an die ein Asylsuchender in Deutschland gebunden ist. Die zwei übrigen Flüchtlinge weigerten sich, Papiere vorzuzeigen; ihre Fingerabdrücke werden derzeit überprüft, um ihre Identität festzustellen. Am Abend wurden die einem Richter vorgeführt, um die Fortsetzung der Identitäts-Erfassung zu bestätigen.

Beim Abtransport hatten sich die Flüchtlinge kooperativ gezeigt und ließen ihre Habseligkeiten am Breitscheidplatz zurück. Die Mahnwache an der Gedächtniskirche sei laut Polizei beendet worden, jedoch seitens der Demonstranten.

Angehörige der Kirche zeigten sich entsetzt, die Gemeinde war zuvor nicht von der Polizei informiert worden. Pfarrer Martin Germer kritisierte, dass die Polizei getroffene Absprachen gebrochen habe. "Das Vorgehen der Polizei ist mit der Innenverwaltung abgestimmt", bestätigte der Sprecher der Innenverwaltung, Stefan Sukale. "Bislang konnte die Polizei in dieser Angelegenheit nicht tätig werden, da die rechtlichen Voraussetzungen für Identitätsfeststellungen nicht vorlagen. Da ein Teilnehmer jedoch am 13. Mai in einer Nachrichtensendung selbst bestätigt hatte, dass die Personen aus Sachsen-Anhalt kommen, bestanden nunmehr hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass diese Personen gegen die Residenzpflicht verstoßen haben."

Redlich hatte zudem angeführt, dass man sich von Seiten der Polizei zunächst mit den Behörden in Sachsen-Anhalt hatte abstimmen müssen und zuvor wegen des DFB-Pokal-Finales am Samstag zu viele Einsatzkräfte gebunden gewesen seien.

Scharfe Kritik von Landeskirche und Opposition

Das plötzliche Eingreifen der Polizei untergrabe alle bisherigen Bemühungen der Gemeinde und der Landeskirche, gemeinsam mit den Flüchtlingen zu einer Lösung zu gelangen, erklärte die Landeskirche. Mehrere Oppositionspolitiker übten scharfe Kritik: „Dass die Berliner Polizei die Flüchtlinge unter dem Vorwand des Verstoßes gegen die Residenzpflicht abgeführt hat, ist unerträglich. Weder am Brandenburger Tor noch am Oranienplatz ist dies jemals geschehen“, äußerte der flüchtlingspolitische Sprecher der Linkspartei, Hakan Tas.

Ähnlich äußerte sich Fabio Reinhardt, flüchtlingspolitischer Sprecher der Piratenfraktion: „Die Polizeiaktion war politisch orchestriert. Offensichtlich möchte der Senat jeden Flüchtlingsprotest im Keim ersticken, um eine Situation wie am Oranienplatz zu verhindern." Die Begründung für den Einsatz, dass die Flüchtlinge gegen die Residenzpflicht verstießen, sei vorgeschoben, sagte Reinhardt. Die Stadt müsse das aushalten können, dass Menschen den Protest nach Berlin tragen. Zudem betonte Reinhardt die ablehnende Haltung gegenüber der Residenzpflicht: "Sie ist eine europaweit einmalige Schikane und beschneidet Menschen in ihrem Recht, sich frei zu bewegen. Sie ist einer demokratischen Gesellschaft unwürdig.“

Laut Canan Bayram von den Grünen bedeutet die Räumung der Flüchtlinge eine Einschränkung des Rechtes auf Demonstrationsfreiheit. Dieses sei ein hohes Gut.

Auch viele der Flüchtlinge vom Oranienplatz und der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule kommen aus anderen Bundesländern. Aber der Kompromiss mit dem Senat sieht vor, dass die Verfahren von rund 460 Flüchtlingen in Berlin überprüft werden.

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