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Berlin: Streit um Sitzblockade gegen NPD-Aufmarsch Bündnis „Cottbus Nazifrei“ hält an Aktion fest Gerichtsdirektor wertet Teilnahme als Straftat

Cottbus - Auch wenn er das nie zugeben würde – am liebsten säße Frank Szymanski am kommenden Dienstag mit auf der Straße. Erstmals will dann ein von Studenten initiiertes Aktionsbündnis durch eine Sitzblockade den alljährlichen Neonazi-Aufmarsch anlässlich der Bombardierung von Cottbus im Februar 1945 verhindern.

Von Sandra Dassler

Cottbus - Auch wenn er das nie zugeben würde – am liebsten säße Frank Szymanski am kommenden Dienstag mit auf der Straße. Erstmals will dann ein von Studenten initiiertes Aktionsbündnis durch eine Sitzblockade den alljährlichen Neonazi-Aufmarsch anlässlich der Bombardierung von Cottbus im Februar 1945 verhindern. Szymanski leitete Anfang der 90er Jahre die erste multikulturelle Stadtteilschule Brandenburgs und war schon aus diesem Grund entschiedener Neonazi-Gegner. Doch inzwischen ist er Oberbürgermeister von Cottbus und die geplante Sitzblockade entzweit momentan die Demokraten in der Stadt.

Während beispielsweise die IG Metall, Verdi oder die DGB-Jugend den Aufruf zur Sitzblockade unterstützten, hätten der DGB selber, aber auch Oberbürgermeister Szymanski oder Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch (beide SPD) eine Teilnahme abgelehnt, sagt die Sprecherin des Aktionsbündnisses „Cottbus-Nazifrei“, Angelika Müller: „Sie werden dafür am gleichen Abend auf einer großen Kundgebung an die Opfer des Bombenangriffs erinnern und gleichzeitig gegen den Neonazi-Aufmarsch protestieren.“

Die 21-jährige aus dem Saarland stammende Studentin an der Brandenburgisch-Technischen Universität (BTU) findet es in Ordnung, dass es mehrere Gegenkundgebungen zum Neonazi-Aufmarsch geben wird. Allerdings, sagt sie, habe es viele junge Leute verunsichert und verletzt, dass man „die Teilnehmer der geplanten Sitzblockade als Straftäter bezeichnet und sogar auf eine Stufe mit den Rechtsradikalen stellt.“

Hintergrund ist ein Interview des Cottbuser Amtsgerichtsdirektors Wolfgang Rupieper, der erklärt hatte, Demokraten dürften nur mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen Neonazis vorgehen und sich nicht auf ihr Niveau begeben. Außerdem stellte Rupieper klar, dass es sich bei der Sitzblockade um einen Verstoß gegen Paragraph 21 des Bundesversammlungsgesetzes handle, um eine Straftat also.

„Ich musste darauf hinweisen“, sagte Rupieper dem Tagesspiegel, „weil die Initiatoren der Blockade verkünden, es handele sich dabei nur um eine Ordnungswidrigkeit, was falsch ist. Jeder, der sich daran beteiligt, muss wissen, dass die Staatsanwaltschaft gegebenenfalls gegen ihn ermitteln wird und er verurteilt werden kann – auch, wenn Gerichte unterschiedliche Auffassungen vertreten.“

Angelika Müller vom Bündnis „Cottbus-Nazifrei“ verweist hingegen darauf, dass sowohl Juristen als auch Verfassungsrechtler zum Thema Sitzblockade geteilter Meinung sind: „Es ist deshalb jedenfalls noch keiner zu drei Jahren Haft verurteilt worden.“

Zusätzlichen Zündstoff erhielt die Diskussion in Cottbus durch ein Urteil vom 20. Januar dieses Jahres. Da hatte das Dresdner Verwaltungsgericht entschieden, dass die Polizei die Sitzblockaden von mehr als zehntausend Demonstranten am 13. Februar 2010 hätte verhindern müssen, um Rechtsextremen in Dresden einen sogenannten Trauermarsch zu ermöglichen.

„Wir müssen den Neonazis die gleichen demokratischen Rechte einräumen – leider!“, sagt Gerichtschef Rupieper. Er wird am Dienstag auf der Gegenkundgebung des Aktionsbündnisses „Cottbuser Aufbruch“ sprechen – genau wie Stadtoberhaupt Szymanski und Ministerin Münch. An der Sitzblockade beteiligen – wie ihr Parteifreund und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse am 1. Mai 2010 in Berlin – wollen sich die beiden zumindest im Vorfeld nicht. Das sei besonders der Polizei gegenüber sehr unfair, argumentieren sie – auch, wenn die Ermittlungen gegen Thierse längst eingestellt wurden.

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