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Vier für Potsdam? Das neue Stadtschloss würde durch die Attika-Figuren, die einst auf dem Seitenflügel der Berliner Humboldt-Universität „zwischengelagert“ wurden, gewinnen.

© dpa/Gambarini

Streit um Stadtschloss-Skulpturen: Bloß keine Denkmal-Rochade

Potsdam will seine Stadtschloss-Skulpturen vom Seitenflügel der Humboldt-Universität zurück. Berlin lässt das Thema lieber ruhen. Schließlich könnte es Auslöser für eine große Denkmal-Rochade sein.

Die Sandsteinskulpturen auf der Berliner Humboldt-Universität – ein Fall von Beutekunst? Das böse Wort fiel vor kurzem im Kulturausschuss des Potsdamer Stadtparlaments. Es zeigt, dass die acht Figuren auf den Seitenflügeln der Universität in der benachbarten Landeshauptstadt längst zum Politikum geworden sind. Selbst Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) wünscht sich nun öffentlich eine Rückkehr der Figuren auf das neu gebaute Potsdamer Stadtschloss. Dort, auf dem alten Vorgängerbau, standen sie bis zum Schlossabriss Anfang der 60er Jahre. Weil damals auf der wiederaufgebauten Humboldt-Uni noch Platz war, verfrachtete man sie nach Berlin.

"Die Schlösser sind neu, das ist ihr Problem"

In Berlin interessiert sich gegenwärtig kaum jemand für das Thema, mit Ausnahme der CDU. Deren kulturpolitischer Sprecher, Uwe Lehmann-Brauns, fordert seit langem die Rückgabe der Figuren. Ohne sie drohe dem Stadtschloss in Potsdam das Stigma einer seelenlosen Disney-Kulisse. „Die Schlösser in Potsdam und demnächst auch in Berlin sind neu, das ist auch ihr Problem.“ Für Lehmann-Brauns ist die Rückgabe auch im Berliner Interesse, denn im Potsdamer Neuen Palais stehen zwölf Marmorskulpturen aus dem ehemaligen Berliner Stadtschloss. Die Rückgabe könnte somit zum Rücktausch erweitert werden, damit wäre beiden Schlössern geholfen.

Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten könnte das Kompensationsgeschäft problemlos abwickeln, denn in ihrem Besitz befinden sich alle betroffenen Figuren. Stiftungssprecher Frank Kallensee möchte den aktuellen Skulpturenstreit aber nicht mit bislang noch gar nicht erhobenen Ansprüchen verkomplizieren. Eigentlich möchte die Stiftung alles dort belassen, wo es sich befindet. Man sehe derzeit keinen „Grund, den bestehenden Leihvertrag mit der HumboldtUniversität zu kündigen“, sagt Kallensee.

Doch die Stiftung arbeitet nicht unabhängig von der Politik. Im Stiftungsrat sitzen paritätisch jeweils drei Vertreter von Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg. Sollte sich Brandenburg mit dem Bund gegen Berlin verbünden, könnte der Leihvertrag gekündigt werden. Für eine Rückgabe bräuchte man aber zusätzlich noch eine denkmalrechtliche Genehmigung des Berliner Landeskonservators, Jörg Haspel. Der hat sich bereits klar gegen eine Rückgabe ausgesprochen. Sein Kernargument ist, dass auch der zerstörerische Umgang mit historischen Bauten in der Nachkriegszeit als Zeitdokument schützenswert ist.

Doch auch Haspel ist nicht unabhängig. Sein Dienstherr, Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD), war am Freitag nicht zu einer Stellungnahme zu bewegen. Bisher hielt sich Müller gerne aus denkmalpflegerischen Streitfragen heraus. Einen ähnlichen Grundsatzkonflikt zwischen historischer Rekonstruktion und Sicherung des teilungsbedingten Status Quo hatte Haspel bereits am Jagdschloss Glienicke gegen den heftigen Widerstand von CDU und vieler ortsansässiger Bürger für sich entschieden.

Skulpturenfrage im Abgeordnetenhaus

Unklar ist die Rolle des Bundes. Als Beauftragte für Kultur und Medien ist seit dem Herbst die Berliner CDU-Politikerin Monika Grütters für die Schlösserstiftung zuständig. Das könnte die Berliner CDU stärken. Grütters ließ am Freitag ausrichten, sie wolle einer Auseinandersetzung des Stiftungsrates mit diesem Thema nicht vorgreifen. Im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses soll die Skulpturenfrage demnächst debattiert werden. Bisher hatte das Gremium diese Diskussion erfolgreich gemieden, obwohl der Streit seit vier Jahren schwelt. Auch die Oppositionsparteien, Grüne, Linke und Piraten, beschäftigten sich lieber mit Staatsoper oder Kulturforum.

Damit sich die Große Koalition in Berlin bewegt, müsste der Druck von außen, also aus Brandenburg, noch erheblich wachsen. Nach dem Sturz von André Schmitz ist die offizielle Kulturpolitik des Senats bis auf Weiteres ohne Stimme. Schmitz soll sich dem Vernehmen nach intern wohlwollend gegenüber den Potsdamer Ansprüchen geäußert haben. Er hatte zuletzt den Vorsitz im Stiftungsrat der Schlösserstiftung inne. Dieser Posten ist nun vakant.

Hans-Joachim Kuke vom Potsdamer Stadtschloss-Verein würde gerne eine große Debatte über die Rückverlegung historischer Denkmäler anzetteln. Da könnte es auch um das Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten im Hof des Schlosses Charlottenburg gehen, das einst auf der Rathausbrücke stand, und die Rückkehr des Neptunbrunnens vom Rathausforum zum alten Standort am Berliner Stadtschloss.

Angst vor Revanchismusdebatte

„Dazu sollte man unterschiedliche Fachmeinungen hören, nicht nur die von Herrn Haspel“, sagt Kuke, der selber Kunsthistoriker ist. Die Denkmalschützer in Sachsen würden ganz anders argumentieren. Für Kuke sind die Attikafiguren auf der HU „Kriegsschäden“, genau wie die zerstörten alten Stadtschlösser. „Viele Bürger empfinden den Ist-Zustand als unbefriedigend.“ Politiker müssten dagegen erst „zum Jagen getragen werden“. Dazu trage auch bei, dass viele Volksvertreter Angst vor einer Revanchismusdebatte hätten.

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