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Berlin: Streit um Steffel hält die CDU vom Wahlkampf ab

Parteispitze mahnt Geschlossenheit an – doch über eine Nachfolge für den umstrittenen Fraktionschef wird schon nachgedacht

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wer könnte den CDU-Fraktionsvorsitzenden beerben, wenn die Mehrheit der Abgeordneten nicht mehr hinter ihm steht? Wer das fragt, wird vor der Bundestagswahl keine schlüssige Antwort erhalten. „Wir machen jetzt Wahlkampf, sonst nichts“, sagte gestern der CDU-Kreischef von Friedrichshain-Kreuzberg Kurt Wansner, der dem Politik- und Führungsstil Steffels inzwischen auch kritisch gegenübersteht.

Der Berliner CDU-Spitzenkandidat Günter Nooke warnte vor einer „kontraproduktiven“ innerparteilichen Debatte um den CDU-Fraktionschef Steffel. Wenn jetzt der Eindruck entstehe, die Union in Berlin zanke sich, sei das weder hilfreich noch sinnvoll. Die Partei müsse geschlossen auftreten, um in der Hauptstadt ein gutes Ergebnis zu erzielen. Nach einer außerordentlichen Sitzung des CDU-Landesvorstands am Dienstagabend appellierte der Landesvorsitzende Christoph Stölzl an die Parteifreunde, Meinungsverschiedenheiten sachlich auszutragen.

Drei Stunden diskutierte die Berliner CDU-Führung über den Wahlkampf, den Gysi-Rücktritt und die Verfassungsklage gegen den Landeshaushalt, aber auch ausführlich über den Parteikonflikt um Steffel, der sich nach Meinung seiner Kritiker auf Kosten der Gesamtpartei profiliert und einen unakzeptablen Führungsstil praktiziert. Die Vertreter der „unterschiedlichen Politikstile in der Union“ hätten sich in der Debatte zu Wort gemeldet, hieß es anschließend. Die Steffel-Befürworter hatten sich offenbar abgesprochen und traten mit verteilten Rollen auf. „Das Thema bleibt uns erhalten“, kündigte ein Vorstandsmitglied an.

Viele in der CDU befürchten ein schlechtes Abschneiden des Landesverbandes bei der Bundestagswahl. 30 Prozent wären schon ein gutes Ergebnis, heißt es. Steffel, dessen öffentliches Ansehen sich seit der Abgeordnetenhauswahl im Oktober 2001 nicht verbessert hat, wird für diesen Negativtrend mitverantwortlich gemacht. In der 35-köpfigen Fraktion stehen inzwischen ein Dutzend Abgeordnete eindeutig gegen ihn; andere verhalten sich (noch) abwartend. Besonders gewichtige und aktive Gegner sind Ex-Finanzsenator Peter Kurth, der ehemalige Haushaltsexperte Alexander Kaczmarek und der junge Abgeordnete Mario Czaja vom liberalen CDU-Flügel und die konservativen Michael Braun und Karl-Georg Wellmann aus Zehlendorf. Die Fraktions-Vizevorsitzenden Monika Grütters und Stölzl halten sich vornehm zurück, aber im Ernstfall kann Steffel mit ihnen auch nicht rechnen.

Zweimal ist es dem umstrittenen Fraktionschef gelungen - im Mai und im Oktober 2001 - eine Gegenkandidatur des Ex-Fraktionsgeschäftsführers Kaczmarek zu verhindern und mit Mehrheiten um die 80 Prozent gewählt zu werden. Ein Gegenkandidat bei einer vorzeitigen Neuwahl - vielleicht noch in diesem Jahr - könnte Steffel sehr gefährlich werden. n werden bisher nicht genannt, dafür ist es zu früh. In Frage kämen aber eigentlich nur Kaczmarek, Grütters, Kurth oder Braun. Nicht nur die Personaldecke der PDS ist dünn. In der nächsten Woche treffen sich, ebenfalls auf Betreiben des CDU-Chefs Stölzl, die zwölf Kreisvorsitzenden der Union, um sicher nicht nur über den Bundestagswahlkampf zu sprechen.

Bisher hatte Steffel acht Kreisverbände hinter sich scharen können; diese Mehrheit schmilzt allmählich zusammen. Nur noch Reinickendorf, Spandau, Mitte und Tempelhof-Schöneberg stehen ohne Wenn und Aber zum Fraktionsvorsitzenden. Die CDU-Kreisverbände im Ostteil Berlins wenden sich zunehmend von Steffel ab. Unabhängig davon, ob und wie lange er die Abgeordnetenhausfraktion noch führt, hat er keine Chance mehr, 2003 CDU-Landeschef und 2005 wieder Spitzenkandidat der Union zu werden.

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