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Berlin: Streitlustig und friedensbereit

Wowereit ist für Ethikunterricht – und will Konsens mit den Kirchen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

In einer leidenschaftlichen Rede, mehrfach von Beifall und Bravorufen unterbrochen, machte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit auf dem SPD-Bildungsparteitag den Genossen Mut. Die Opposition sei in einem erbärmlichen Zustand. „Aber nicht die Schwäche der CDU wird uns 2006 den Wahlsieg bringen, sondern nur die eigene Stärke.“ Streitlustig legte sich Wowereit mit dem Parteifreund und Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse an, der in der Debatte um den Werteunterricht vor einer „Bevormundung durch den Staat“ gewarnt hatte. Die Vermittlung von Werten, rief Wowereit in den Saal, sei sehr wohl eine staatliche Aufgabe. „Und, lieber Wolfgang, vergleiche nicht unser Schulsystem mit dem in der DDR.“ Die Delegierten jubelten.

Ebenso wie der SPD-Landeschef Michael Müller streckte Wowereit den Kirchen die Hand entgegen. Schließlich sei er als Schüler gern in den Religionsunterricht und in die Kirche gegangen. Am freiwilligen Religionsunterricht, der in Berlin historisch gewachsen sei, „werden wir nicht rütteln, und ich verstehe das mangelnde Selbstbewusstsein der Protestanten und Katholiken nicht, die befürchten, es käme niemand mehr in ihren Unterricht.“ Selbstverständlich könnten Katecheten, Kaplane und Rabbis den neuen Werteunterricht mitgestalten. Wowereit appellierte an die Kirchen, endlich den Staatsvertrag mit dem Senat zu unterschreiben, der fast fertig vorliegt.

Zwar bekannte der Regierungschef, dass ihm „manche Sachen“ im bildungspolitischen Leitantrag nicht passten. Gute Dinge sollten nicht wieder platt gemacht werden, in der Vielfalt liege die Stärke. Damit meinte der Regierende zum Beispiel die Gymnasien. Aber: Die SPD müsse in der Bildungspolitik natürlich „Visionen entwickeln, ohne mit der Schere des Finanzsenators oder des Regierenden Bürgermeisters herumzulaufen“. Das brachte ihm stehende Ovationen ein. Nach drei Stunden ermüdender Generaldebatte hatte Wowereit die eigenen Leute wieder in Schwung gebracht. Er beschränkte sich nicht auf das Bildungsthema, sondern verteidigte auch die Integrationspolitik der vergangenen Jahrzehnte. Sie sei insgesamt erfolgreich „und es ist keine Mafia von Gutmenschen dafür verantwortlich, dass noch nicht alles erreicht wurde.“

Zu Beginn seiner Rede rief Wowereit erneut dazu auf, am 7. und 8. Mai ans Brandenburger Tor zu kommen, um des Kriegsendes zu gedenken. „Das ist ein Tag der Befreiung für uns und nichts anderes.“ Er sei nach wie vor für ein Verbot der NPD, sagte Wowereit. Demokratie brauche Klarheit und keine Verwischung der Grenzen. Schnell rechnete er noch mit der Berliner CDU ab, die in der Debatte um den 8. Mai auf ein „unsägliches Niveau“ abgesunken sei. „Er hat uns aus der Seele gesprochen“, kommentierte danach ein Genosse. Versöhnende Worte fand auf dem Parteitag sogar Bildungssenator Klaus Böger, obwohl er beim Werteunterricht eine Niederlage hinnehmen musste. „Ich bin sehr heimisch in meiner Partei", sagte Böger in seiner Rede. Er bekam respektvollen Beifall – von allen Seiten.

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