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Berlin: Strieder will eine Allee der Demokraten

Beim Pro & Contra sagten 98 Prozent Ja zur Ehrenbürgerwürde für Ernst Reuter, doch der Berliner SPD-Chef hat eine andere Idee, ihn zu würdigen

Von Sabine Beikler

Im Streit um die passende Ehrung für Ernst Reuter macht Stadtentwicklungssenator Peter Strieder einen neuen Vorschlag: Der SPD-Landeschef will die Debatte weg von der Ehrenbürgerwürde führen. Er fordert eine neue Denkmal-Kultur. „Demokraten muss man im öffentlichen Straßenbild ehren“, sagt Strieder und schlägt eine „Allee der Demokraten“ im Tiergarten vor. Denkbar sei ein in Stein gehauener Ernst Reuter in der Nähe der Denkmäler von Moltke, Roon und Bismarck am Großen Stern. Dazu kämen zum Beispiel Standbilder von Kurt Schumacher oder Louise Schroeder in Frage.

Doch auch die Diskussion um die Ehrenbürgerwürde geht weiter. Das Ergebnis unseres Pro & Contra vom Sonntag fällt klar aus: 98 Prozent der Anrufer unterstützen die Forderung, Ernst Reuter posthum die Ehrenbürgerschaft zu verleihen. Doch der Senat bleibt davon unberührt. Reuter gehöre zu den „großen Söhnen der Stadt“, sagt der stellvertretende Senatssprecher Günter Kolodziej. Der höchste Orden der Stadt, die Ernst-Reuter-Plakette, trage seinen Namen. Anlässlich des 50. Todestages des früheren Regierenden Bürgermeisters wird Berlin am 29. September einen großen Festakt ausrichten. Nur: An den von Reuter selbst 1953 unterzeichneten Richtlinien über die Verleihung der Ehrenbürgerschaft werde nicht gerüttelt. „Der Senat weiß sich auch aus Respekt vor Ernst Reuter diesen Richtlinien verpflichtet.“

Eine posthume Ehrenbürgerwürde wird es für Reuter nicht geben. Mit dieser Regelung steht Berlin jedoch nicht allein da. In München oder Hamburg sind die Richtlinien sogar noch deutlicher formuliert: „Stets nur zu Lebzeiten“ wird die Ehrenbürgerwürde verliehen. Ausnahmen wie in Berlin die posthume Würdigung von Marlene Dietrich sind nach Angaben der Protokollchefs in beiden Städten nicht möglich.

Ein neues Nachdenken über die Würdigung verdienstvoller Persönlichkeiten, wie es Strieder fordert, findet auch PDS-Kultursenator Thomas Flierl notwendig. Flierl will aber keine Denkmäler, sondern „Denkzeichen“. Niemand dürfe „wie bei einem Denkmal unreflektiert auf den Sockel gehoben werden“. Die Betonung bei „Denkzeichen“ liege in der „kritischen Auseinandersetzung einer Person“, erklärt Flierl-Sprecher Thorsten Wöhlert. Die Frage allerdings, ob Ernst Reuter nun die Ehrenbürgerwürde posthum erhalten soll, beantwortet der PDS-Senator völlig unklar. Er sei „prinzipiell“ für eine Würdigung Reuters, aber „prinzipiell“ auch dafür, die Würdigung nur für lebende Personen auszusprechen. Eine Auseinandersetzung mit der SPD über diese Frage will die PDS offensichtlich auf jeden Fall vermeiden.

Der Grünen-Kulturpolitikerin Alice Ströver ist Strieders Vorschlag durchaus sympathisch. Sie fordert aber Denkmäler oder Erinnerungstafeln „in Bezug zu historischen Orten“. Sie wolle den Tiergarten nicht zu einer „Denkmalsmeile“ umgestalten. Frank Henkel, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, will über ein Denkmal für Reuter erst nachdenken, wenn dieser die Ehrenbürgerwürde posthum erhalten hat. Und FDP-Fraktionschef Martin Lindner spottet: Eine Denkmal-Diskussion würde wieder zu einem „Sankt-Nimmerleins-Arbeitskreis“ ohne Ergebnis ausarten. Die FDP fordert nach wie vor die Umbenennung der Niederkirchnerstraße zur Ernst-Reuter-Straße.

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