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Berlin: Studentenstreik bröckelt - aber SPD kommt ins Grübeln

Nach der Besetzung ihrer Parteizentrale kündigen die Sozialdemokraten eine neue Kommission an: Sie soll über Einsparungen an Unis beraten

Die Studenten tröpfeln am Montag zur Vollversammlung der Freien Universität, anstatt wie bisher in Massen zu strömen. Das Audimax reicht für das wöchentliche Treffen, während sich die Streikenden letzte Woche noch in vier Hörsäle quetschten. „Wir werden schneller, als vielen lieb ist, Probleme bekommen, den Streik fortzuführen“, mahnt ein Student. Doch zugleich erlebten die Streikenden gestern während der friedlichen Besetzung der SPDParteizentrale in der Müllerstraße einen ersten kleinen Erfolg. Der SPD-Wissenschaftsexperte im Abgeordnetenhaus, Bert Flemming, ließ zwar an den umstrittenen Kürzungen von 75 Millionen Euro nicht rütteln, kündigte aber am Nachmittag zumindest die Bildung einer neuen Kommission mit Vertretern aus Wissenschaft und Politik an. Sie sollen ab Januar beraten soll, wie sich die geplanten Einsparungen im Hochschulbereich verwirklichen lassen.

So ist aus seiner Sicht über die Vorschläge der Universitäten zur Schließung von Studiengängen das letzte Wort noch nicht gesprochen. Flemming forderte erneut Strukturveränderungen wie den Abbau von Doppelangeboten.

Die Besetzung der Zentrale des SPD-Landesverbandes ging am frühen Abend ohne Polizeieinsatz zu Ende. Nach Gesprächen mit Landesgeschäftsführer Ralf Wieland verließen die 30 Studenten das Gebäude.

Unterdessen wird an den Unis über die Zukunftschancen des Streiks heftig diskutiert. „Sogar eine Arbeitsgemeinschaft „Streikbrecher“ hat sich inzwischen gebildet. Deren Vertreter versichert zwar, die Proteste zu unterstützen. „Aber in der derzeitigen Form bringt er wenig. Wir möchten erreichen, dass der Streik auf eine breitere Basis unter den Studenten gestellt wird.“

Bereits am Wochenende hatte die Intensität des Streiks etwas nachgelassen. Nur 5000 Studenten waren laut Polizei auf der Sonnabenddemonstration, und die geplante Lichterkette am Großen Stern wurde mangels Teilnehmern abgesagt. Nur 60 Personen waren zum Treffpunkt am Roten Rathaus erschienen. Paula Knieper vom Streikpool der HU findet das normal. „Ein Streik, der etwas länger dauert, ist viel kraftaufwändiger als das Studium, das unterschätzen viele.“

In den verschiedenen Streikzentralen aber herrscht weiterhin Optimismus. „Das die Luft raus ist, kann man überhaupt nicht sagen“, bekräftigt Lore Knapp vom Streikbüro der FU. „Es werden täglich neue Aktionen angemeldet,“ sagt Enrico Schönberg von der Streikkoordination der TU. Alle hoffen auf eine rege Beteiligung an der bundesweiten Protestaktion und dem Protestmarsch am kommenden Sonnabend.

Ein Hauch von Streikmüdigkeit liegt aber offensichtlich zu Wochenbeginn über der FU. Während die Vollversammlung tagt, gibt es in vielen Fachbereichen – wie etwa bei den Juristen – Vorlesungen und Seminare. Selbst die Wirtschaftswissenschaftler sperren ihr Gebäude wieder auf, das sie zuvor für zwei Wochen besetzt hielten. Die Lehrveranstaltungen sind auch hier gut besucht. „Wir gehen gezwungenermaßen hin. Die Professoren halten sich nicht daran, den Stoff zu kürzen“, sagt BWL-Studentin Claudia. Die anstehenden Klausuren wollen die Hochschüler trotz des Streiks mitschreiben und bestehen.

Einen Antrag, die Berlin-weiten Aktionen für eine Woche zu unterbrechen, lehnen die Studierenden auf der Vollversammlung allerdings ab. Jetzt aufzuhören wäre das falsche Signal, meinen viele und machen sich Mut. Die Studenten der Kunsthochschule Weißensee treten unterdessen ebenfalls in einen zunächst einwöchigen „Ausstand“. Heute wollen sie auf dem Wittenbergplatz mit Schnüren „alles und jeden vernetzen“. Auch Slawistik-Studenten gehen auf die Straße. Über 100 Studenten sitzen auf dem Hackeschen Markt in Lehrveranstaltungen und arbeiten, bis die Kälte überhand nimmt. Die nächste geplante Aktion: „Bildungsasyl in Polen beantragen“.tiw/cof/kal

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